Es gibt keine ewigen unveränderlichen Werte

Das Ringen um gemeinsame Werte und verbindliche Regelungen ist in sozialen und politischen Gemeinschaften oftmals sehr schwierig. Dennoch bleibt dieser mühsame Prozess unvermeidbar. Auch die Berufung auf die Vernunft oder auf unveränderliche ewige Werte kann diese Auseinandersetzung nicht überflüssig machen. Denn es gab ja zu keinem historischen Zeitpunkt einen weltweiten Konsens über die angeblich ewigen Werte. Axel Braig ergänzt: „Zudem erscheint die von Immanuel Kant beschworene Vernunft als so lebensfern und abstrakt.“ Deshalb hat Friedrich Nietzsche ihr seine „große Vernunft des Leibes“ entgegengestellt. Es erscheint nicht ratsam, sich allein auf diese leibliche Vernunft zu verlassen. Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass sinnliche Erfahrungen und konkrete Ereignisse bei vielen Menschen starke Gefühle auslösen. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

Mitgefühl allein sichert keinen ewigen Frieden

Sie regen damit zu einem Nachdenken darüber an, wie man sich eine bessere und gerechtere Welt vorstellen kann. Erzählte und erlebte Geschichten bewegen Menschen meist mehr als abstrakte Überlegungen. Geschichten oder Literatur tragen deshalb mehr zur Verbesserung der Verhältnisse auf der Welt bei als der kategorische Imperativ. Diese Überzeugung teilt Axel Braig mit Richard Rorty. Andererseits scheint Immanuel Kants Sorge nachvollziehbar.

Denn die Hoffnung auf das menschliche Mitgefühl ist keine sichere Basis, um für alle Zeiten den ewigen Frieden zu sichern. Dieses Mitgefühl bleibt oft genug aus und macht destruktiveren Impulsen Platz. Axel Braig kann nachvollziehen, dass Platons Idee der Einheit des Wahren, Guten und Schönen vielen Menschen eine existenzielle Geborgenheit vermittelt. Dasselbe gilt für die von Immanuel Kant als universell konzipierte Vernunft, an der sie sich festhalten möchten. Doch keiner dieser Wege erscheint Axel Braig noch gangbar.

Die eine große Wahrheit gibt es nicht

Friedrich Nietzsche veröffentlicht 1896 den Aufsatz „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“. Darin greift er den in seinen Augen anmaßenden Anspruch der abendländischen Philosophen frontal an, die mittels ihres Intellektes eine ewige Wahrheit zu erkennen glauben. Friedrich Nietzsche sieht darin einen vor allem in der Eitelkeit der Philosophenkaste gründenden, durch Erfahrung nicht belegbaren metaphysischen Aberglauben. Er aber weigert sich, „die Wahrheit“ als heiligen Gral der Philosophie anzubeten.

Sein Angriff auf die Vorstellung der einen großen Wahrheit ist aber nicht nur destruktiv. Vielmehr deutet er an, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, dem Begriff der Wahrheit eine sinnvolle Bedeutung zu geben. Er betont zunächst, wie wenig der Mensch eigentlich über sich selbst weiß: „… der Mensch ruht in der Gleichgültigkeit seines Nichtwissens und gleichsam auf dem Rücken eines Tigers in Träumen hängend. Woher, in aller Welt, bei dieser Konstellation der Trieb zur Wahrheit?“ Quelle: „Über die Sinne des Lebens und ob es sie gibt“ von Axel Braig

Von Hans Klumbies