Auch Linkspopulisten untergraben die Demokratie

Rechts- und Linkspopulisten mögen nicht ganz Unrecht haben, wen sie auf ihre Weise von der Sezession bestimmter Eliten sprechen. Sie haben jedoch sicher Unrecht, wenn sie alle Konflikte auf Fragen der Zugehörigkeit reduzieren oder jeden Dissens mit ihnen per se für illegitim halten. Jan-Werner Müller stellt fest: „Wegen dieses Impulses sind echte Linkspopulisten gleichfalls geneigt, demokratische Institutionen zu untergraben.“ Dabei handelt es sich um politische Akteure, die auf der Basis der einen oder anderen linksgerichteten Ideologie einen Alleinanspruch auf die Vertretung des Volkes erheben. Schließlich gibt es keinen Grund, die politischen Grundrechte ihrer Gegner zu schützen. Denn es ist doch klar, dass diese eigentlich gar keinen Platz im demokratischen Spiel verdienen. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor für Sozialwissenschaften an der Princeton University.

Rechtspopulisten beschwören die Vertreibung des „wahren Volkes“

Rechtspopulisten dagegen lassen sich oft auf eine sonderbare politische Projektion ein. Sie beschwören so etwas wie eine Vertreibung des angeblichen „wahren Volkes“. Dessen Angehörige würden auf sehr unfaire Weise dazu gebracht, sich wie Fremde im eigenen Land zu fühlen. Doch kann das wahre Volk sich kaum von der eigenen Heimat loslösen, wenngleich einige Rechtsextreme sich genau darum bemühen. Dieselben Leute, die Ängste davor schüren, das Land zu verlieren, streben de facto danach, all jene aus dem politischen Gemeinwesen auszuschließen, die angeblich nicht wirklich zum Volk gehören.

Jan-Werner Müller betont: „Betroffen davon sind kaum die Mächtigsten, sondern in der Regel ohnehin verwundbare Minderheiten, sie schikaniert oder gar ihrer Rechte beraubt werden.“ Die politischen Führer des Rechtspopulismus vermitteln den Mehrheiten das Gefühl, die wären die wahren Opfer, die attackiert würden. Oder sie stiften Gemeinschaft durch geteilte Empörung über diejenigen, die gar nicht richtig zum Volk gehören. Diese Empörung hat eine reale Ursache, denn Minderheiten erheben tatsächlich manchmal neue Ansprüche.

Populistische und nichtpopulistische Politiker unterscheiden sich grundlegend

Politik als Beruf umfasst auch die Pflicht, sich Gedanken darüber zu machen, was das Volk ist. Oder was es sein könnte und sollte. Daran ist nichts Absonderliches, auch wenn es in Deutschland aufgrund der enormen Vorbelastung des Wortes „Volk“ oft so wahrgenommen wird. Es gibt einen klaren Unterschied zwischen einem populistischen und einem nichtpopulistischen Politiker. Er besteht darin, dass letzterer Vorstellungen über „das Volk“ als grundsätzlich falsifizierbare Aussagen versteht, gleichsam als Hypothesen, die an der Wahlurne widerlegt werden können.

Der populistische Politiker weiß dagegen nicht immer nur schon, dass er die einzig richtige Antwort auf die Frage kennt, was das Volk sei. Er tut auch so, als wäre diese Antwort eine schlichtweg gegebene, unbestreitbare Tatsache. Behauptungen dieser Art über das einzig wahre Volk können niemals durch die Ergebnisse einer Wahl oder einer Volksabstimmung widerlegt werden. Falls es den Anschein hat, dass sie widerlegt worden seien, kann das nur durch Betrug geschehen sein. Quelle: „Freiheit, Gleichheit, Ungewissheit“ von Jan-Werner Müller

Von Hans Klumbies