Die Tugend des Muts kann niemand vortäuschen

Man kann zweifellos davon ausgehen, dass die Tugend mit dem Einsatz für das Kollektiv zusammenhängt, vor allem wenn ein solcher Einsatz mit seinen eigenen eng definierten persönlichen Interessen kollidiert. Man wird nicht dadurch tugendhaft, dass man einfach nur nett zu Menschen ist, um die sich auch andere Leute kümmern. Nassim Nicholas Taleb betont: „Wahre Tugend besteht ganz überwiegend darin, nett zu denen zu sein, die von anderen vernachlässigt werden – die weniger offensichtlichen Fälle, diejenigen, die im Wohltätigkeits-Business übersehen werden. Oder Leute, die keine Freunde haben und lediglich wollen, das sie hin und wieder von jemanden angerufen werden, der mit ihnen redet oder mit ihnen einen Kaffee aus frisch gerösteten Bohnen im italienischen Stil trinkt.“ Nassim Nicholas Taleb ist Finanzmathematiker, philosophischer Essayist, Forscher in den Bereichen Risiko und Zufall sowie einer der unkonventionellsten Denker der Gegenwart.

Hämekampagnen sind eine Mischung aus Schikane und Feigheit

Außerdem: Die höchste Form der Tugend ist unpopulär. Das heißt nicht, dass Tugend an sich unpopulär ist oder enger mit Unpopularität zusammenhängt – lediglich, dass unpopuläre Aktionen auf Risikobereitschaft und aufrichtiges Verhalten hindeuten. Nassim Nicholas Taleb weiß: „Mut ist die einzige Tugend, die man nicht vortäuschen kann.“ Wenn Nassim Nicholas Taleb einen absolut tugendhaften Akt beschreiben müsste, dann wäre es die Bereitschaft, eine unbequeme Haltung einzunehmen, die im gängigen Mainstream-Diskurs verpönt ist.

Für die Wahrheit einzutreten, wenn es sich um eine missliebige Wahrheit handelt, ist eine großartige Tugend, weil es einen Menschen nämlich etwas kostet: seinen guten Ruf. Journalisten, deren Verhalten zur Ausgrenzung führt, handeln tugendhaft. Dagegen gibt es Menschen, die ihre Meinung nur im Rahmen öffentlicher Hämekampagnen äußern, in Zusammenhängen, wo sie nichts riskieren, und dann auch noch meinen, dass sie tugendhaft handeln. Aber das ist keine Tugend, sondern ein Laster: eine Mischung aus Schikane und Feigheit.

Mut und Risikobereitschaft zählen zu den höchsten Tugenden

Manchmal kommen zu Nassim Nicholas Taleb junge Leute, die „der Menschheit helfen“ wollen, und stellen ihm Fragen wie: „Was soll ich tun? Ich möchte Armut reduzieren, die Welt retten …“ und ähnlich noble Ziele auf der Makroebene. Sein Vorschlag lautet: „Stellen Sie ihre Tugend grundsätzlich nicht zur Schau. Nehmen Sie nie auf das politische System Einfluss, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen. Sie müssen sich unbedingt selbstständig machen. Bringen Sie sich selbst ein.“

Jawohl, die Menschen sollen Risiken auf sich nehmen, und wenn jemand reich wird – was passieren kann, aber nicht muss –, sollte er sein Geld großzügig an andere weiter geben. Die Gesellschaft braucht Menschen, die in begrenztem Maß Risiken auf sich nehmen. Geschäfte zu tätigen ist immer hilfreich, weil es so ohne schwerwiegend, riskante Veränderungen der Wirtschaft zu ökonomischer Aktivität kommt. Mut und Risikobereitschaft zählen zu den höchsten Tugenden. Die Gesellschaft braucht Unternehmer. Quelle: „Das Risiko und sein Preis“ von Nassim Nicholas Taleb

Von Hans Klumbies