Thomas Mann trifft Theodor W. Adorno

Im Jahr 1943 lud der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann den Philosophen Theodor W. Adorno in sein Haus am San Remo Drive in Pacific Palisades ein. Er wollte ihm aus dem Manuskript seines letzten Romans „Doktor Faustus: Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde“ vorlesen. Stuart Jeffries nennt den Grund der Einladung: „Der 68 Jahre alte Schriftsteller erhoffte sich vom zwanzig Jahre jüngeren Theodor W. Adorno fachmännischen musikalischen Rat, den er in den Roman, eine aktuelle Fassung der Faustsage, einarbeiten konnte.“ Thomas Mann schrieb an Theodor W. Adorno: „Wollen Sie mit mir darüber nachdenken, wie das Werk – ich meine Leverkühns Werk – ungefähr ins Werk zu setzen wäre; wie Sie es machen würden, wenn Sie im Pakt mit dem Teufel wären?“ Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

Theodor W. Adorno bewundert den Schriftsteller Thomas Mann

Dieser faustische Pakt stellte für Theodor W. Adorno eine unwiderstehliche Versuchung dar. Selbst, wenn es den Anschein hatte, als würde Thomas Mann als Mephistopheles Theodor W. Adorno aufgrund seines musikalischen Fachwissens einspannen. So wie Thomas Manns diabolischer Romanheld Adrian Leverkühn seinen eigenen Lehrer in Anspruch nahm. Theodor W. Adorno erhielt im Zuge dieses Treffen die Möglichkeit, mit dem bedeutendsten deutschsprachigen Literaten zusammenzuarbeiten.

Darüber hinaus bekam er die Chance, die ihn beschäftigenden Idee über Musik und Philosophie auszuformulieren, sowie eine Gelegenheit, Musikstücke im Stil seines verstorbenen Lehrers Alban Berg zu entwerfen. Thomas Mann war ein Schriftsteller, dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus und zum Exil in mancherlei Hinsicht mit Theodor W. Adornos eigener Einstellung übereinstimmte. Zwar gab es Stimmen, welche die literarischen Fähigkeiten des deutschen Exilautors infrage stellten. Allerdings weist nichts darauf hin, dass Theodor W. Adorno ähnliches empfand.

Thomas Mann stellte sich auf die Seite verfolgter Juden

Vielmehr sei er, so der amerikanische Literaturwissenschaftler George Steiner, „lebenslang ein – wenn auch zeitweise schwankender – Bewunderer von Thomas Manns Genie“ gewesen. Außerdem spielte folgendes möglicherweise eine nicht geringe Rolle mit dem Nobelpreisträger zusammenzuarbeiten: Thomas Mann hatte sich von antijüdischen Ansichten in einiger seiner Schriften distanziert. Seit dem Jahr 1936 hatte sich der Autor auf die Seite verfolgter Juden, vor allem von Exiljuden, gestellt.

Eigentlich war Thomas Mann ein unpolitischer Charakter, und die Vorstellung Solidarität mit irgendjemanden, vor allem mit Juden zum Ausdruck zu bringen, schreckt ihn eher ab. Im Jahr 1918 hatte er die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ verfasst, worin er versucht, den autoritären Staat gegen die Demokratie und eine Kultur der Innerlichkeit gegen moralisierende Zivilisation rechtfertigen. Sein berühmtester Roman „Der Zauberberg“ veröffentlicht im Jahr 1924, bedeutete dann allerdings eine radikale Abwendung von dieser Philosophie. Quelle: „Grand Hotel Abgrund“ von Stuart Jeffries

Von Hans Klumbies