„… dazu sind wir gezwungen“, sagen jene, die manipulativ ihre Verantwortung verschleiern wollen. So sehen sich beispielsweise Regierungen „zur Reaktion gezwungen“, sobald sie sich provoziert fühlen. Sie konnten gar nicht anders, der andere hatte ihnen „keine Wahl“ gelassen. Genauso gut könnten sie behaupten, eine Marionette in den Händen des Provokateurs zu sein. Im Juli 1914 ist man in den Ersten Weltkrieg „hineingeschlittert“. Auch der Satz „Ich muss Ihnen leider sagen …“ verrät Feigheit. Unklares Denken erzeugt unklares Sprechen – und umgekehrt. Gegen die um sich greifende Unsicherheit und Deutschland-am-Abgrund-Neurose versprechen einige Ratgeber „die Kunst, sich von Ängsten zu befreien“. Reinhard K. Sprenger stellt fest: „In Deutschland wird das schlichte Wort „Angst“ fast nur noch im Plural verwendet. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.
Angst ist Angst vor nichts
Die um sich greifende Pluralisierung der Angst ist für Reinhard K. Sprenger kein Zufall, sie ist vielmehr das sprachliche Kennzeichen des hartnäckigen Willens zur Ohnmacht. Noch Matin Heidegger hatte unterschieden: „Furcht ist Furcht vor etwas, Angst ist Angst vor nichts.“ Furcht aktiviert, Angst lähmt. Ein Mensch kann die Angst als Warnsignal für Gefahren nutzen, aber die Angst muss keine Macht über ihn gewinnen. Man kann sie gegenständlich machen, konkretisieren. Fragt man jenen, der Angst hat, was er denn konkret fürchtet, so kann er es sich vorstellen, vorwegnehmen und vorsorgen.
Das bringt ihn in die Verantwortung. Anders die Rede von den Ängsten. Sie vernebelt zusätzlich das Gegenstandslose und macht mithin die Verantwortung des Einzelnen gänzlich unsichtbar. Schon Konfuzius hat gewarnt: „Wenn die Wörter ihre Bedeutung verlieren, verlieren die Völker ihre Freiheit.“ Geradezu entlarvend ist in diesem Zusammenhang auch das Gerede von „Ich habe versucht …“ oder „Ich werde versuchen…“. Das ist eine Einstellung, die Verantwortung vermeiden will. Eine vorauseilende Rechtfertigung.
Es gibt kein Versuchen
Dabei handelt es sich um eine vorauseilende Rechtfertigung und eine Vorab-Entschuldigung. Sie schwächt: „Vielleicht schaffe ich es, vielleicht auch nicht.“ Sie deutet an, dass es nicht in der eigenen Macht steht – und erhofft dafür Rabatt und mildernde Umstände. Aber konsequent gedacht, gibt es kein Versuchen. Ein Mensch tut etwas, oder er lässt es sein. Für beides hat er seine Gründe. Die Strategie „Versuchen“ wird entsprechend häufig benutzt, um Nicht-Handeln und mangelnde Entschiedenheit zu verschleiern.
Laut Reinhard K. Sprenger wird sehr oft dann von „Versuchen“ geredet, wenn jemand zu einer Forderung eigentlich Nein sagen will, aber die Konsequenzen der Klarheit fürchtet. Dann „versucht“ er es halt. Viele nehmen damit das Scheitern vorweg, bauen das Misslingen beim Tun schon vorher ein. Es geht Reinhard K. Sprenger hier nicht um die Sprachüblichkeit, sondern um die innere Einstellung, die Verantwortung scheut. Bevor ein Mensch überhaupt gehandelt hat, öffnet er sich schon die Hintertür. Damit baut er das Scheitern gleichsam „vorbeugend“ in sein Handeln ein. Quelle: „Die Entscheidung liegt bei dir!“ von Reinhard K. Sprenger
Von Hans Klumbies