Die AfD ist eine Sammlungspartei von Unzufriedenen

Im Bundeswahlgesetz sind die Lehren aus den Schwächen der Weimarer Verfassung gezogen worden, beispielsweise die Fünf-Prozent-Hürde, mit der die Zersplitterung des Parteiensystems verhindert werden soll. Auf die Frage, ob dies für Stabilität sorgt, antwortet der Historiker Andreas Rödder: „Wenn eine Partei über fünf Prozent landet, nützt diese Hürde auch nichts mehr. Un bei der letzten Bundestagswahl haben fast zehn Prozent der Wähler für zwei Parteien gestimmt, die es dann nicht ins Parlament geschafft haben, die FDP und die AfD. Ob das unser System am Ende stabilisiert oder nicht vielmehr Unzufriedenheit schafft, ist eine offene Frage.“ Politiker wie Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel rücken die AfD in die Nähe der Nationalsozialisten. Andreas Rödder lehrt Neueste Geschichte an der Universität Mainz und veröffentlichte zuletzt den Bestseller „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart“.

Das völkische Denken ist brandgefährlich

Die AfD ist für Andreas Rödder eine schichtenübergreifende Sammlungspartei von Unzufriedenen. Dass war die NSDAP auch. Aber wenn man diese Parallele schon zieht, dann kann man die NSDAP nicht ohne den Weltkrieg und die Vernichtung der europäischen Juden denken. Und das hat nun wirklich nichts mit der AfD zu tun. Aber natürlich muss man die Islamophobie und auch den Antisemitismus in der AfD kritisieren. Andreas Rödder aber bleibt dabei: „Wer die AfD mit den Nazis vergleicht, der läuft in eine Falle.“

Denn so hilft man dieser Bewegung dabei, sich zum Opfer einer überzogenen Kampagne ihrer politischen Gegner und der sogenannten Lügenpresse zu stilisieren. Allerdings muss die Nähe von Teilen der AfD zum Völkischen geredet werden. Da verläuft eine Trennlinie quer durch die Partei, zwischen völkischen und eher demokratischen Kräften. Auf die Frage, warum das völkische Denken so gefährlich ist, antwortet Andreas Rödder: „Es beruht auf der Vorstellung, dass die eigene Volksgruppe rein ethisch begründet ist und dass sie höherwertig ist als andere Völker.“

Viele enttäuschte CDU-Wähler haben sich der AfD zugewandt

Andreas Rödder fährt fort: „Eine Vorstellung, die schon im 19. Jahrhundert verbreitet war und später dann natürlich bei den Nazis. Dieses Denken ist indiskutabel. In allen anderen Fragen müssen wir uns der Diskussion mit der AfD stellen.“ Auch die NPD und die Republikaner haben in der alten Bundesrepublik versucht, sich im Parteiensystem festzusetzen. Sie sind deswegen gescheitert, weil die Union die Wähler auf der rechten Seite besser integriert hat, mit einem starken rechtskonservativen Flügel.

Damals galt der berühmte Satz von Franz Josef Strauß, dass es rechts von der Union keine demokratische Partei geben dürfe. Das hieß aber nie, dass die CDU bedingungslos Nazis integrieren sollte. Man findet heute in der AfD neben völkischen Elementen auch eine bürgerliche Unterströmung, die aus enttäuschten CDU-Wählern besteht. Andreas Rödder erklärt: „Ob das nun die Rolle der CDU in der Eurokrise war, bei der Energiewende oder der Familienpolitik – diese Menschen können mit der Union nichts mehr anfangen.“ Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies