Nichts kann der Vernunft widerstehen

Die Sonderausgabe des Philosophie Magazins steht diesmal ganz im Zeichen von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Denn er zählt zu den wirkmächtigsten Philosophen der Geschichte. Seine Überlegungen zu Fortschritt, Staat und Freiheit sind von ungebrochener Aktualität. Seine Werke gelten zwar als schwer verständlich, doch sie werden dennoch weiter gelesen. So zum Beispiel von dem österreichischen Schriftsteller und Essayisten Robert Menasse: „Als ich die ersten Seiten der „Phänomenologie des Geistes“ las, wusste ich sofort, dass ich „meinen“ Philosophen gefunden hatte. Keinen Mann mit klugen Gedanken, sondern den Geist von Selbst- und Weltverständnis.“ Was viele Menschen an der Philosophie Hegels fasziniert, ist das Versprechen der Vernunft. Nichts, weder Natur noch Geschichte noch die soziale Wirklichkeit kann seiner Meinung nach der Vernunft widerstehen. Er beharrt sogar darauf, dass selbst das Unvernünftigste noch einen Keim der Vernunft in sich trägt.

Hegel untersucht die Strukturen des Denkens und des Seins

In der „Phänomenologie des Geistes“ beschreibt Hegel die Bildung des Bewusstseins und setzt sich dabei mit der Geistesgeschichte von der Antike bis zur Moderne auseinander. Axel Honneth, der zu den einflussreichsten Philosophen der Gegenwart zählt, erklärt: „Hegel argumentiert, dass wir ein angemessenes Bewusstsein unserer selbst nur erlangen können, wenn wir uns als Mitglied einer sozialen Gemeinschaft verstehen lernen, die auf Verhältnissen wechselseitiger Anerkennung beruht.“ Die Vernunft beschreibt als Kategorie dann kein Einzelbewusstsein mehr, sondern das Bewusstsein einer Gemeinschaft.

In der „Wissenschaft der Logik“ untersucht Hegel die Strukturen des Denkens und des Seins. Karen Ng erläutert: „Hegel beschreibt die „Logik“ als eine Wissenschaft des reinen Denkens.“ Für die Philosophie-Professorin war und ist Hegel einer der scharfsinnigsten Philosophen der Moderne und des modernen Lebens. Er versteht nicht nur die zutiefst menschliche Natur des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Hegel ist auch einer der ersten Denker, der die historische Gegenwart als historisches Produkt und als Produkt freier menschlicher Tätigkeit begreift.

Der Fortschritt offenbart sich im Bewusstsein der Freiheit

Da, wo Menschen selbstbestimmt und unberührt von gesellschaftlichen Zwängen entscheiden können, so eine weitverbreitete Annahme, sind sie frei. Nicht so für Hegel. In seiner Philosophie sind Freiheit und Recht untrennbar miteinander verwoben. Philosophie-Professor Christoph Menke stellt fest: „Philosophie, so Hegel, sollte so verstanden werden, dass sie ihre geschichtliche Wirklichkeit auf den Begriff zu bringen versucht: Denken, was ist!“ Dieser Ansatz ist Hegels entscheidende Innovation für die philosophische Diskussion.

In der Geschichte, so Hegel, offenbart sich „der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“. Für den slowenische Philosophen Slavoj Žižek kommt es darauf an, die Geschichte nicht nur als einen Prozess der Aufhebung, sondern ebenso sehr als ein Prozess der Verrückung aufzufassen: „Ja, die Geschichte schreitet voran, aber in jedem entscheidenden Moment ihres Fortschritts wird der Begriff des Fortschritts selbst, die Richtung, in die sich die Geschichte bewegt, radikal neu definiert.“

Von Hans Klumbies