Der Berliner Chronobiologe Dieter Kunz entdeckte mit Hilfe seiner in Brillengestelle eingebauten Lichtsensoren, dass die meisten Menschen tagsüber im Dauerdunkel leben. Zudem fand er bei der Auswertung seiner Studie folgendes heraus: Für viele seiner Probanden war der vermutlich chronobiologisch wirksamste Moment am ganzen Tag der abendliche Blick in den besonders kalt und hell erleuchteten Badezimmerspiegel. Dieter Kunz urteilt: „Biologisch gesehen ist das eine Katastrophe. Ausgerechnet dann, wenn die Menschen kurze Zeit später ins Bett gehen und schlafen wollen, setzen sie sich noch einmal einer Extraportion Helligkeit aus. Auf sämtliches Licht, das entweder sehr hell war oder einen hohen Blaulichtanteil hatte, reagierte die biologische Zeitmessung hochsensibel. Der Melatoninspiegel, der eigentlich auf seinem natürlichen allabendlichen Weg nach oben war, sank durch die Lichteinwirkung zwischenzeitig und stieg hinterher nur verzögert wieder an.
Dunkles Licht ist abends und nachts ideal
Der Neurobiologe und Wissenschaftsjournalist Peter Sport erklärt: „Wer sich spätabends also auch nur kurzfristig einer Lichtdusche aussetzt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit verspätet müde, schläft anschließend vielleicht sogar oberflächlicher und wacht häufiger auf.“ Wer Einschlafprobleme hat und damit kämpft, abends nicht zeitig genug müde zu werden, sollte seine Beleuchtung überprüfen. Alle Lampen, die sehr helles und ziemlich kaltes Licht abstrahlen, sollten abends und nachts ausgeschaltet bleiben.
Alle Lampen, die sehr helles und ziemlich kaltes Licht abstrahlen, sollten abends und nachts ausgeschaltet bleiben. Dunkles Licht mit einem warmen Ton ist dagegen in diesen Phasen des Tages ideal. Peter Spork erläutert: „Die klassische 25-Watt-Glühbirne, Kerzen oder einige der modernen Spezial-LEDs, sind abends also die Leuchtmittel der Wahl.“ Wer hingegen bis in die Nacht wach und aufmerksam bleiben möchte, sollte zu dieser Zeit gezielt Tageslichtlampen einsetzen. Auf Dauer geht das aber nur gut, wenn man morgens ausschlafen kann.
Abendliche Lichtduschen beschleunigen die Geschlechtsreife
Ohnehin können die nächtlichen Lichtverschmutzungen noch einen zweiten, langfristigen Effekt auf den menschlichen Körper haben: Peter Spork erläutert: „Sie raubt uns das intuitive Gespür für die Jahreszeiten und verändert unseren Hormonhaushalt.“ Manche Wissenschaftler, wie der Basler Chronobiologe Christian Cajochen, spekulieren inzwischen sogar darüber, dass die nächtliche Helligkeit auf dem Weg der schleichenden Verringerung des Melatoninspiegels dazu beiträgt, dass heutige Kinder durchschnittlich viel früher in die Pubertät kommen als ihre Altersgenossen vor hundert Jahren.
Zumindest gibt es Hinweise, dass viel Melatonin, wie es in langen dunklen Nächten gebildet wird, die Geschlechtsreife verzögert. Peter Spork erklärt: „Heranwachsende gehören aus dem gleichen Grund zu der einzigen Gruppe, bei der Experten von abendlichen Lichtduschen grundsätzlich abraten.“ Sie schieben bei Kindern vermutlich nicht nur die innere Rhythmik und die abendliche Abnahme der Aufmerksamkeit nach hinten, sondern greifen auch tief ins Hormonsystem ein und beschleunigen auf diesem Weg vermutlich die Reifung. Quelle: Wake up! von Peter Spork
Von Hans Klumbies