Die Geisteskräfte sind klein und von geringer Reichweite

Schon lange betrachtet David Hume mit Misstrauen, was Philosophen in allen möglichen Fragen für ausgemachte Wahrheit halten, und neigt mehr dazu ihre Schlussfolgerungen zu bestreiten als ihnen zuzustimmen. David Hume schreibt: „Es ist immer derselbe Fehler, den sie fast alle machen, nämlich sich auf Prinzipien von sehr eingeschränkter Gültigkeit zu stützen und der unendlichen Mannigfaltigkeit nicht Rechnung zu tragen, bei der der Natur bei allen ihren Wirksamkeiten doch so sehr gelegen war.“ Hat ein Philosoph erst einmal sein Lieblingsprinzip festgesetzt, das vielleicht wirklich eine ganze Reihe natürlicher Effekte erklärt, dann dehnt er dessen Geltungsbereich gleich auf die ganze Schöpfung aus und führt auf Biegen und Brechen und um den Preis absurder Argumente jede Erscheinung darauf zurück. Da die menschlichen Geisteskräfte klein und von geringer Reichweite sind, kann der Mensch seine Begriffe nicht auf die Vielseitigkeit der Natur im Ganzen ausdehnen. David Hume, der von 1711 bis 1776 lebte, gehört zu den Klassikern der europäischen Philosophie.

Philosophen werden auch durch ihre Gefühle in die Irre geführt

Wenn aber irgendwo ein Verdacht gegen philosophische Überlegungen am Platze ist, dann dort, wo das Leben der Menschen und die Wege zur Glückseligkeit ihr Thema sind. David Hume nennt den Grund: „Denn hier werden die Philosophen nicht nur durch die Eingeschränktheit ihres Verstandes, sondern auch noch durch ihre Gefühle in die Irre geführt.“ Denn fast jeder hat seine vorherrschende Neigung, der seine anderen Wünsche und Strebungen untergeordnet sind. Worum es ihm geht, das ist in seinen Augen stets da Anziehendste – die Objekte seiner Leidenschaften sind stets die wertvollsten und der Weg, den er verfolgt, ist immer der einzige Weg zur Glückseligkeit.

Die Menschen kommen laut David Hume zum Philosophen, um sich mehr darüber, wie sie ihre Zwecke setzen sollen, als über die Mittel belehren zu lassen, wie diese Zwecke zu erreichen sind. David Hume erläutert: „Wir möchten wissen, welche Wünsche wir uns erfüllen, welchen Leidenschaften wir uns überlassen und welchen Trieben wir nachgegen sollen. Was das weitere angeht, verlassen wir uns zu unserer Belehrung auf gemeinen Menschenverstand und auf in aller Welt gültige Lebensregeln.“

Das Gefühl verleiht einem minderen Gegenstand seinen Wert

Wenn der Mensch überhaupt auf einen Grundsatz, den die Philosophie lehrt, bauen kann, dann, scheint es David Hume, mag es als sicher und unbezweifelt gelten, dass nichts in sich selbst wertvoll oder verächtlich, wünschens- oder hassenswert, schön oder missgestaltet ist, sondern dass diese Eigenschaften in der besonderen Konstitution, dem spezifischen Gewebe der menschlichen Empfindungen und Neigungen ihren Ursprung haben. Der eine Mensch betrachtet eine Speise für köstlich und vorzüglich, dem anderen erscheint sie als widerwärtig und ekelhaft.

Und so verhält es sich auch, wie jeder zugibt, mit körperlichen Empfindungen. Die Natur hat allen Lebewesen eine gleiche Voreingenommenheit für ihre Abkömmlinge mitgegeben. David Hume erklärt: „Obwohl ein hilfloses Kind in den Augen aller Unbeteiligten als ein erbärmliches und elendes Geschöpf erscheinen mag, wenn es das Licht der Welt erblickt, betrachten es sein zärtlichen Eltern mit der größten Zuneigung und stellen es über jedes andere noch so vollkommene und vollendete Wesen. Das Gefühl allein, das ursprünglich im Bau der menschlichen Natur angelegt ist, verleiht einem an sich höchst unbedeutenden Gegenstand einen Wert.“ Quelle: Vom schwachen Trost der Philosophie von David Hume

Von Hans Klumbies