Parteien und Medien sollten weithin zugänglich sein

Wie sollten intermediäre Institutionen, insbesondere Parteien und Medien, also idealerweise beschaffen sein, um ihre Funktionen für die Demokratie zu erfüllen? Jan-Werner Müller antwortet: „Sie sollten weithin zugänglich sein, und der Zugang darf nicht zu einem Privileg für ohnehin Bessergestellte werden. Sie sollten auf Fakten basieren, selbst wenn Fakten, wie Hannah Arendt bemerkte, stets fragil sind.“ Außerdem sollten sie autonom sein – das heißt, nicht auf korrupte Weise von mehr oder weniger verborgenen Akteuren abhängen. Sie müssen für alle Bürger relativ klar einzuschätzen sein, sodass sie von ihnen auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Wie leicht sollte es beispielsweise sein, eine politische Partei zu gründen? Viele Länder verlangen eine Mindestzahl an Mitgliedern und den Nachweis einer ernsthaften Absicht, sich an Wahlen zu beteiligen. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor für Sozialwissenschaften an der Princeton University.

Parteien und Wahlsystem stehen in einem engen Wechselverhältnis

Doch die Details unterscheiden sich gewaltig. In Australien beträgt die erforderliche Mindestzahl 500, während man in Großbritannien zwei Funktionäre und eine nichtrückzahlbare Anmeldegebühr von 150 Pfund Sterling verlangt. Jan-Werner Müller weiß: „Wie politische Parteien gegründet werden, ist nicht die einzige Frage, denn Parteien und Wahlsystem stehen bekanntlich in einem engen Wechselverhältnis.“ Auch wenn es leicht sein mag, eine Partei zu gründen, kann es dennoch unmöglich sein, auf den Wahlzettel zu gelangen.

Denn es kann sein, dass ein Zulassung die landesweite Aufstellung von Kandidaten oder teure gerichtliche Verfahren erfordert, um sich auf den Wahlzettel zu klagen. Jan-Werner Müller nennt ein Beispiel: „Unabhängige Kandidaten in den USA müssen unter Umständen den größten Teil ihres Wahlkampfbudgets für solche Prozesse ausgeben. Und selbst wenn man es auf die Wahlzettel schafft, können Regeln, die von den großen amerikanischen Parteien selber festgelegt werden, dazu führen, dass kleinere Herausforderer weiterhin im Regen stehen.“

Verwirrung nutzt vor allem den Mächtigen

Man denke etwa daran, dass Bürger vielfach nur an einer der Vorwahlen teilnehmen dürfen, weshalb sie sich oft an die größeren Parteien halten, um nicht ihren Einfluss auf das Gesamtergebnis zu verlieren. Jan-Werner Müller betont: „Nimmt man den Gedanken ernst, dass die Demokratie offen für neue Repräsentationsansprüche sein muss, wird man wollen, dass der Zugang zum politischen Prozess möglichst leicht ist – für Individuen, die in Parteien eintreten oder auch eine gründen wollen, ebenso für Parteien, die um Etablierung in einem Parteiensystem kämpfen.“

Dieser Gedanke ist allerdings keineswegs unumstritten, denn Zugang für alle könnte Struktur für niemanden bedeuten: zu viele Akteure, zu viel Rauschen und eventuell auch die Möglichkeit für die Mächtigen, „den ganzen Raum mit Scheiße zu fluten“, um möglichst große Verwirrung zu stiften. Denn Verwirrung nutzt vor allem den Mächtigen. Jan-Werner Müller ergänzt: „Die harmloseste Version dieser Besorgnis lautet, dass leichter Zugang zu einem Wildwuchs unseriöser Parteien führe, die den Wähler am Ende dazu verleiten, seine Stimme zu verschwenden. Quelle: „Freiheit, Gleichheit, Ungewissheit“ von Jan-Werner Müller

Von Hans Klumbies

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