Oswald Spengler: "Der Untergang des Abendlandes"

Für Oswald Spengler ist eine Kultureinheit wie ein Organismus, der wächst und wieder vergeht. Die Betrachtung so verstandener historischer Zusammenhänge nannte er Morphologie. Diesen Begriff hatte er von Johann Wolfgang von Goethe entlehnt. Oswald Spengler selbst hat sich nicht als Geschichtsforscher, sondern als Geschichtsdenker betrachtet. Er sagte einmal zu den Rezensionen, die über den ersten Band seines Hauptwerks „Der Untergang des Abendlandes“ erschienen, dass er keine gefunden hätte, die seiner Beachtung würdig gewesen wäre außer der Bemerkung des deutschen Philosophen und Soziologen Georg Simmels, dass es sich bei dem Buch um die wichtigste Geschichtsphilosophie seit Georg Wilhelm Friedrich Hegel handelt.

Der Geschichtsdenker Oswald Spengler

Oswald Spengler bediente sich in seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ zwar einer historischen Beweisführung, die die Aufhebung der methodischen Grenze zwischen Natur- und Geisteswissenschaften voraussetzt. Doch obwohl er das Ergebnis seiner Untersuchung in seiner Totalität genau erfasste, nahm er keine Fakten zur Kenntnis, die nicht in seinem Sinn deutbar waren. Er behauptete zum Beispiel: „Dass die Kirche das geringste von antikem Sein als solchem bewahrt hätte, ist ein Irrtum.“

Der Geschichtsdenker Oswald Spengler stand immer quer zur schulmäßigen Historie. Er war ein Außenseiter, wenn auch nicht ganz unfreiwillig. Die Professuren, die ihm angeboten wurden, nahm er teils aus Gesundheitsgründen nicht an, teils aber auch seiner Unabhängigkeit willen, da er lieber Privatgelehrter bleiben wollte. Eine Form des Lebens, die ihm allerdings nach Kriegsanleihen und Inflation empfindliche Beschränkungen auferlegte.

Die Kritik von Thomas Mann an Oswald Spengler

Oswald Spengler sieht in der Abdankung der weißen Rasse vor farbigen Völkern den Untergang der Kultur. Zu einem der berühmtesten Kritiker des Werks „Der Untergang des Abendlandes“ zählte der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. Er geißelte die oberlehrerhafte Phantasielosigkeit des Spenglerischen Fatalismus, das hyänische Prophetentum und die boshafte Unwiderleglichkeit des Werks. Thomas Mann bezeichnet das Werk „Der Untergang des Abendlandes“ als froschkalt wissenschaftliches Vergnügen über die Entwicklung und eine feindselige Nichtachtung solcher Unwägbarkeiten, wie des Menschen Geist und Wille sie darstellen. Thomas Mann fasst die Lehre Oswald Spengler wie folgt zusammen: „Die Geschichte besteht in dem Lebenslauf vegetativer und strukturgleicher Organismen von individueller Physiognomie und begrenzter Lebensdauer, die man Kulturen nennt.“

Thomas Mann fährt fort: „Es sind bisher acht an der Zahl: die ägyptische, indische, babylonische, chinesische, antike, arabische, die abendländische und die Kultur der Mayavölker Zentralamerikas. Obwohl aber gleich nach ihrer allgemeinen Struktur und ihrem allgemeinen Schicksal, sind die Kulturen streng in sich geschlossene Lebewesen, unverbrüchlich gebunden eine jede an die ihr eigenen Stilgesetze des Denkens, Schauens, Empfindens, Erlebens, und eine versteht nicht ein Wort von dem, was die andere sagt und meint. Nur Herr Spengler versteht sie samt und sonders.“

Kurzbiographie: Oswald Spengler

Oswald Spengler wurde am 25. September 1880 in Blankenburg am Harz geboren. Nach seiner Schulzeit studierte er Mathematik und Naturwissenschaften. Es folgte ein Selbststudium der Geschichte und der Kunstgeschichte. Ab 1908 unterrichtete er in Hamburg als Lehrer an einem Gymnasium. Drei Jahre später gab er diesen Beruf allerdings auf und lebte von da an als freier Schriftsteller in München.

1918 veröffentlichte Oswald Spengler den ersten Band seines Hauptwerks „Der Untergang des Abendlandes“, 1922 erschien der zweite Teil. Angebote für die Übernahme einer Professur aus Göttingen im Jahr 1918 und aus Leipzig im Jahr 1933 musst er wegen seiner angegriffenen Gesundheit absagen. Oswald Spengler starb am 8. Mai 1936 in München an einem Herzleiden.

Von Hans Klumbies