Ihre Kreativität brauche Menschen nicht nur für die „kreativen“ Dinge des Lebens. Sie üben sie auch seit frühester Kindheit, weil sie ihnen generell dabei hilft, Probleme in allen Bereichen zu lösen. Holger Volland erläutert: „Wer sich von klein auf angewöhnt hat, fantasievolle Geschichten zu erfinden, sie aufzuschreiben, zu malen, zu tanzen oder zu singen, wird auch als Erwachsener nicht vor Neuem zurückschrecken.“ Die schlechte Nachricht dabei ist: Das können immer weniger Menschen. Dafür verantwortlich ist in erster Linie eine Welt, in der Konzentration, Leistung und Wissen immer mehr zähle und Müßiggang oder Nichtstun langsam verschwinden. Wer allerdings innovative Lösungen oder kreative Ergebnisse haben möchte, muss das freie Assoziieren, das Abschweifen, das Unkonzentriertsein ebenso zulassen. Der Informationswissenschaftler Holger Volland lehrte an der Hochschule Wismar Gestaltung und kuratierte große Ausstellungen der Gegenwartskunst in Argentinien und Deutschland.
Software behindert die Kreativität
Software, die den Menschen dabei hilft, eigene Schöpfungen zu entwickeln, fokussiert sich in der Regel nicht auf den Prozess, sondern auf das Ergebnis und wird zu einer Verschlechterung der allgemeinen Kreativität beitragen. Je enger der Rahmen ist, der einem Menschen durch diese Werkzeuge vorgegeben ist, umso weniger kreativ wird auch das Ergebnis der Arbeit sein. Kreativität braucht vor allem einen weiten Rahmen und wenig Vorgaben.
Im Jahr 2014 erklärte der Designer und ehemalige Kreativdirektor von Adobe Elliot Jay Stocks: „Designer haben aufgehört zu träumen.“ Er beklagte, dass alles Design heute gleich aussehe. Und es stimmt: viele Webseiten, viele Produktpackungen, viele gedruckte Werke scheinen sich mittlerweile im gleichen engen gestalterischen Rahmen zu bewegen. Einen großen Anteil daran hat auch die Professionalität der Software-Werkzeuge. Programme zur Bildbearbeitung helfen zum Beispiel bei der Festlegung der richtigen Farbwelten wie bei der Wahl des besten Bildausschnitts.
Apps können Kreativitätskiller sein
Zudem hat sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Werkzeuge in den letzten Jahren vervielfacht. Es gibt sogar Apps fürs Handy, mit denen man komplette und komplexe Webseiten auf dem winzigen Bildschirm aufbauen kann. Und trotz der unglaublichen Möglichkeiten ist die Vielfalt von Design zurückgegangen. Ein Grund dafür ist, dass ein großer Anteil von gestalterischen Entscheidungen nicht mehr vom Designer selbst, sondern von der Software getroffen wird.
Das ist bequem, spart Zeit und trifft vor allem meist den gängigen Geschmack einer durchschnittlichen Kundengruppe. Denn so wurde die Software programmiert: Benutze Elemente so, dass sie mit der größten Wahrscheinlichkeit den meisten Menschen gefallen. Holger Volland stellt fest: „Apps können so die ultimativen Kreativitätskiller werden, obwohl sie doch als Kreativwerkzeuge angepriesen sind. Das gilt für Design ebenso wie für Musik.“ Dabei entsteht eine Kultur, die nicht mehr agiert, sondern nur noch reagiert. Quelle: „Die kreative Macht der Maschinen“ von Holger Volland
Von Hans Klumbies