Die Nationalstaaten beuten die Natur aus

Die Werbung vieler Unternehmen feiert eine globalisierte Welt. Aber die Idee von der größeren Reichweite ihrer Geschäftsbeziehungen umfasst nur einen Aspekt der Globalisierung. Judith Butler weiß: „Nationalstaatliche Souveränität mag im Schwinden begriffen sein, aber neue Nationalismen halten an diesem Rahmen fest.“ Die Regierungen der Vereinigten Staaten sind nur schwer von der realen Bedrohung der lebensfähigen Welt durch den Klimawandel zu überzeugen. Das liegt daran, dass ihre Rechte zur Erweiterung von Produktion und Märkten weiterhin im Rahmen des Nationalstaates konzentriert bleiben. Dies trägt zur Ausbeutung der Natur und der Vormachtstellung des Profits bei. Sie rechnen vielleicht gar nicht mit der Möglichkeit, dass ihr Handeln Auswirkungen auf alle Regionen der Welt hat. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

Die ganze Menschheit braucht eine lebensfähigen Umwelt

Die Bedingungen des Erhalts einer lebensfähigen Umwelt betreffen dennoch auch die USA, denn die gesamte Menschheit ist davon abhängig. Vielleicht ist ihnen sogar klar, dass ihr Tun auf globaler Ebene destruktiv ist. Und vielleicht erscheint ihnen auch das als ihr Recht, als Macht, als Privileg, das durch nichts und niemanden infrage gestellt werden sollte. Der Gedanke globaler Pflichten zugunsten aller Bewohner der Erde – Menschen und Tiere – ist denkbar weit von der neoliberalen Überhöhung des Individualismus entfernt. Dennoch schiebt man ihn regelmäßig als naiv zur Seite.

Manche sagen mehr oder weniger ungläubig zu Judith Butler: „Wie kannst du an globale Pflichten glauben? Das ist wohl naiv?“ Aber wenn Judith Butler zurückfragt, ob sie wirklich in einer Welt leben wollen, in der niemand für globale Pflichten eintritt, lautet die Antwort in der Regel: Nein. Judith Butler ist auch der Auffassung, dass eine neue Idee der Gleichheit genauere Vorstellungen einer Interdependenz benötigt. Nämlich Vorstellungen, die sich in Praktiken und Institutionen sowie in neuen Formen des gesellschaftlichen und politischen Lebens entfalten.

Was bedeutet Gleichheit zwischen Individuen?

Sich Gleichheit auf diese Weise vorzustellen, zwingt einen aber zugleich, neu darüber nachzudenken, was man eigentlich meint, wenn man von Gleichheit zwischen Individuen spricht. Natürlich ist es gut, wenn man Personen als einander gleichgestellt behandelt. Judith Butler sagt ganz klar, dass sie uneingeschränkt für gesetzliche Diskriminierungsverbote ist. Aber Formulierungen wie diese, sagen noch nichts darüber aus, kraft welcher Beziehungen soziale und politische Gleichheit überhaupt erst denkbar wird.

Sie betrachten die individuelle Person als Gegenstand der Analyse und nehmen dann Vergleiche vor. Judith Butler betont: „Begreift man Gleichheit als individuelles Recht, trennt man sie von den sozialen Pflichten ab, die wir gegeneinander haben.“ Welche Gleichheitsforderungen man dann auch erhebt, sie ergeben sich aus den Beziehungen zwischen Menschen. Nämlich im Namen dieser Beziehungen und dieser Bindungen und nicht als Merkmale eines individuellen Subjekts. Quelle: „Die Macht der Gewaltlosigkeit“ von Judith Butler

Von Hans Klumbies