Joseph Stiglitz erklärt die Weltwirtschaftskrise

In seinem Buch „Im freien Fall“ beschreibt der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz wie es zur weltweiten Wirtschaftskrise, die im Herbst 2008 ausbrach, kommen konnte. Für ihn ist klar, dass falsche Anreize, entfesselte Märkte und eine ungerechte Verteilung des Wohlstands, die Welt beinahe in den Abgrund gerissen haben. Begonnen hatte die Weltwirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten von Amerika. Joseph Stiglitz fordert die Manager, Banker und Politiker auf, beim Abflauen der Krise nicht wieder zur gewohnten Tagesordnung überzugehen, sondern ein neues globales Wirtschafts- und Finanzsystem aufzubauen.

Märkte funktionieren aus eigener Kraft nicht richtig

Joseph Stiglitz, ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank, fordert von der Politik eine bessere Regelung der Finanzmärkte und ein aktiveres Eingreifen des Staates in die Wirtschaft. Das oberste Ziel muss es sein, weltweit Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern sowie den Reichtum gerechter zu verteilen. Joseph Stiglitz steht mit seinen Ansichten in der Tradition des britischen Ökonomen John Maynard Keynes. Er sagt: „Ich glaube, dass Märkte im Zentrum jeder erfolgreichen Volkswirtschaft stehen, dass sie aus eigener Kraft aber nicht richtig funktionieren.“

Die Hauptschuld an der Weltwirtschaftskrise gibt Joseph Stiglitz dem Finanzsektor. Aber auch die Aufsichtsbehörden haben ihre Pflichten sträflich vernachlässigt, da sie das Fehlverhalten der Banken hätten unterbinden müssen. Die Ursache für den freien Fall der Weltwirtschaft im Oktober 2008 sieht der Ökonom in der leichtfertigen Kreditvergabe im Finanzsektor, die die Immobilienblase in den USA genährt hatte, die schließlich platzte. Die Banken waren auch deshalb in Not geraten, weil ein großer Teil ihrer Geschäfte nicht in den Bilanzen erschien.

Der Staat muss eine Aufsichtsbehörde für Finanzprodukte gründen

Für Joseph Stiglitz spielt bei der Weltwirtschaftskrise die schiere Komplexität eine genauso wichtige Rolle wie mangelnde Transparenz. Die Finanzmärkte hatten dermaßen komplizierte Produkte entwickelt, dass selbst dann, well all ihre Details bekannt gewesen wären, niemand ihr volles Risiko hätte einschätzen können. Joseph Stiglitz behauptet: „Obwohl den Banken alle relevanten Informationen und Daten zur Verfügung standen, konnten sie ihre eigene finanzielle Lage nicht beurteilen.“

Joseph Stiglitz fordert eine Aufsichtsbehörde für Finanzprodukte. Eine solche Behörde hätte unter anderem die Aufgabe, die Sicherheit von Finanzprodukten zu prüfen und entsprechende Ratschläge an die Bürger zu veröffentlichen. Zu den Kernaufgaben des Staates gehört laut Joseph Stiglitz das effiziente Funktionieren der Märkte zu gewährleisten, denn es gibt keine wissenschaftliche Grundlage dafür, dass Märkte effizient sind.

Die Wirtschaftskrise hat der Welt deutlich vor Augen geführt, dass kollektives Handeln unabdingbar ist – der Staat muss gestaltend und regelnd in den Wirtschaftskreislauf eingreifen. Joseph Stiglitz sieht ganz am Schluss seines Buches die Krise nicht nur als Gefahr sondern auch als Chance. Er sagt: „Wir haben die Chance, eine neue Gesellschaft zu schaffen, in der jedes Individuum seine Lebensziele verwirklichen und seine Fähigkeiten voll ausschöpfen kann.“ Die eigentliche Gefahr besteht für den Wirtschaftswissenschaftler darin, dass die Menschen nicht zu einer neuen Gesellschaft aufbrechen und somit ihre Chancen nicht ergreifen.

Im freien Fall
Joseph Stiglitz
Verlag: Siedler
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten, Auflage: 2010
ISBN: 978-3-88680-942-4, 24,95 Euro

Von Hans Klumbies

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