Das chinesische Modell ist fragwürdig

Die Entscheidungswege in Demokratien sind häufig langwierig und konfliktbehaftet. Viele Menschen glauben, dass es demokratischen Gesellschaften kaum gelingen kann, in angemessener Zeit befriedigende Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Die Regierenden in Deutschland müssen sich mit widerstreitenden Meinungen und Interessen der Bevölkerung auseinandersetzen. Einfluss auf die Politik nehmen zudem vielfältige Lobbygruppen. Dazu kommen Sonderwünsche aus Ländern und Kommunen oder vonseiten der europäischen Partner. Hans-Jürgen Papier ergänzt: „Demgegenüber seien autoritär geführte Staaten wie China viel besser in der Lage, auf eine Krise schnell und wirkungsvoll zu reagieren.“ Die Regierung in Peking kann mit dem riesigen Machtapparat der Kommunistischen Partei im Rücken weitgehend ungehindert Entscheidungen treffen und diese auch durchsetzen. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier war von 2002 bis 2014 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

China geht repressiv gegen die Bevölkerung vor

Tatsächlich zeigt sich bei der ersten unkritischen Betrachtung, dass die chinesische Führung die Corona-Pandemie auf spektakuläre Weise unter Kontrolle gebracht hat. Seit Mitte des Sommers habe es im Land sogar gar keine lokalen Ansteckungen mehr gegeben, heißt es nach offiziellen Verlautbarungen. Erst im Oktober 2020 tauchten neue kleinere Infektionscluster auf. Die offiziell veröffentlichten Statistiken sollte man jedoch mit gebotener Vorsicht betrachten.

Zudem ist der Erfolg zu einem hohen Preis erkauft worden, und vor allem mit Blick auf Hans-Jürgen Papiers Verständnis von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. So ist beispielsweise die elf Millionen Einwohner zählende Metropole Wuhan im Frühjahr 2020 für ganze zweieinhalb Monate komplett von der Außenwelt abgeriegelt worden. Dabei kamen paramilitärische Truppen, Spezialeinheiten der Polizei, staatliche Gesundheitsmitarbeiter sowie von der Kommunistischen Partei organisierte „Nachbarschaftskomitees“ zum Einsatz. Allesamt waren mit weitreichenden repressiven Befugnissen ausgestattet. Die Bewohner durften die eigenen vier Wände nur noch zum Einkaufen oder zum Arztbesuch verlassen.

In China gibt es eine Rund-um-die-Uhr-Kontrolle

Wenn sie in Häusern wohnten, in denen es Infektionen gegeben hatte, mussten sie teilweise sogar über 70 Tage in ihren Wohnungen ausharren. Reisebeschränkungen verboten es ihnen wie den in der Stadt gestrandeten Besuchern, Wuhan ohne Ausnahmegenehmigung zu verlassen. Der Individualverkehr wurde untersagt, der öffentliche Nahverkehr massiv eingeschränkt, Kontrollposten an den Ein- und Ausfallstraßen der Stadtviertel eingerichtet. Die Machthaber setzten die Maßnahmen rigoros durch. Einem Bericht im „Spiegel“ nach begegnet man Verstößen sogar mit Androhung von Haft- bis hin zu Todesstrafen.

Hans-Jürgen Papier erläutert: „Auch nach Aufhebung von Ausgangssperre und Reiseverbot Anfang April galten weiter strenge Auflagen. Etwa die Rund-um-die-Uhr-Kontrolle für alle durch eine verpflichtende Smartphone-App, die Gesundheitsdaten und Bewegungsprofile ihrer Nutzer nachverfolgt.“ Wer Wuhan nach dem Ende der Abschottung verließ, musste darüber hinaus am Ziel seiner Reise innerhalb Chinas wiederum für 14 Tage in strenge Quarantäne. Quelle: „Freiheit in Gefahr“ von Hans-Jürgen Papier

Von Hans Klumbies