Die institutionellen Investoren, die professionell das Geld ihrer Kunden an den Kapitalmärkten anlegen, wie zum Beispiel Versicherungen oder Pensionskassen, spielen laut Hanno Beck eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Herdentrieben an der Börse. Meistens investieren sie in das, was der Rest kauft, wodurch sie die Kurse nach oben treiben und somit den Auftrieb der Herde weiter verstärken. Auch Banken und Kapitalexperten können mit ihren Kommentaren zu einer Kursblase beitragen. Viele Investoren überschätzen ihre Fähigkeit, rechtzeitig aus einem überhitzten Markt auszusteigen. Hanno Beck behauptet, dass es ein verhängnisvolles Gebräu von Selbstüberschätzung, Gier, Wunschdenken und simplen Marktmechaniken ist, die einen Markt geradewegs in eine Katastrophe führt. Hanno Beck, der früher in der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung arbeitete, lehrt heute als Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Pforzheim.
Ein Motiv für das Herdenverhalten ist das Dazugehörigkeitsgefühl
Das Herdenverhalten ist zu allen Zeiten das Gleiche. Scharen von Anlegern ziehen wie Lemminge dem Ruf des leichten Geldes und der Herde hinterher. Herrscht Euphorie, so wirkt sie ansteckend, herrscht Panik, reagieren alle panisch. Hanno Beck stellt sich die Frage, warum Menschen bereit sind, sich ins Unglück zu stürzen, nur weil andere Menschen dies auch tun. Ein Motiv für dieses irrationale Verhalten könnte laut Hanno Beck das Dazugehörigkeitsgefühl sein.
Hanno Beck erklärt: „Man will dabei sei, dazugehören, mitreden, einer von den Jungs sein – nichts ist schlimmer, als von der Herde ausgeschlossen zu werden.“ Die meisten Menschen laufen also mit, weil es einfacher ist und weil sie nicht vom Rest der Masse abgelehnt werden wollen. Eine weitere Möglichkeit, Herdeneffekte zu erklären, besteht laut Hanno Beck darin, sich auf die Informationslage der an der Herde beteiligten zu beziehen. Man schaut dabei einfach, was die Mehrheit der Menschen tut und vermutet hinter diesem Verhalten eine rationale, kluge Strategie und ahmt sie nach.
Ein Treibsatz der Herde ist das Informationsverhalten der Menschen
Das kann in vielen Fällen funktionieren, aber auch gerade ins Verderben führen. Selbst wenn alle einer Meinung sind, können doch alle Unrecht haben. Hanno Beck vermutet, dass ein weiterer Treibsatz einer Herde das Informationsverhalten der Menschen sein dürfte. Haben Menschen erst einmal eine Meinung gefasst, so tendieren sie dazu, sich Informationen zu verschließen, die nicht dieser Annahme, diesem Weltbild entsprechen. Hanno Beck erläutert: „Menschen versuchen, ihre Umwelt harmonisch zu gestalten, dissonante Informationen werden ausgeblendet – sie suchen aktiv nach bestätigenden Informationen.“
Für Hanno Beck kommt hier wieder die Herde ins Spiel: Je mehr Menschen der eigenen Meinung sind, umso bestätigter fühlt man sich, man schöpft Optimismus daraus, dass andere Menschen die eigene Meinung teilen. Allerdings kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem die Informationen, die gegen die eigene Weltsicht sprechen, zu überwältigend werden, der Punkt, an dem die Realität deutliche Fakten schafft, zum Beispiel in der Form fallender Aktienkurse. Hanno Beck nennt die Folgen: „Dann folgt ein radikaler Schwenk, die eigene Position wird umgedeutet und wieder in Einklang gebracht mit der neuen Faktenlage.“
Von Hans Klumbies