Bertrand Russell versteht unter dem Idealismus die Lehre, dass alles, was existiert, oder doch wenigstens alles, von dem wir wissen können, dass es existiert, in irgendeinem Sinne geistig beziehungsweise bewusstseinsähnlich sein muss. Den ersten Versuch einen erkenntnistheoretisch begründeten Idealismus aufzubauen, stammt laut Bertrand Russell von Bischof George Berkeley. Er bewies zunächst, dass man nicht annehmen darf, unsere Sinnesdaten existieren unabhängig von uns, sondern dass sie im Bewusstsein sein müssen, in dem Sinne, dass es sie nicht geben würde, wenn es kein Sehen, Hören, Berühren, Riechen oder Schmecken gäbe.
Das Bewusste und Unbewusste beim Haben einer Vorstellung
Darüber hinaus behauptete George Berkeley, dass Sinnesdaten die einzigen Dinge wären, von deren Existenz sich der Mensch durch Wahrnehmung überzeugen könnte. Erkannt werden bedeutete für ihn soviel wie gewusst werden. In einem Bewusstsein sein, hieß für ihn etwas Geistiges sein. Er schloss daraus, dass nichts jemals erkannt werden kann, was nicht in einem Bewusstsein ist, und dass alles, was erkannt und nicht in meinem Bewusstsein ist, in einem anderen Bewusstsein sein muss.
Wenn der Mensch das Wort Vorstellung im Sinne George Berkeleys auffasst, muss er laut Bertrand Russell zwei Momente unterscheiden, die beim Haben einer Vorstellung auftreten. Da ist einerseits das, dessen sich der Mensch unbewusst ist und andererseits der Bewusstseinsakt selbst, der geistige Akt, in dem der Mensch einen Gegenstand erfasst. Der Bewusstseinsakt ist selbstverständlich geistiger Art.
Das Bewusstsein kennt andere Dinge als sich selbst
Für Bertrand Russel ist die Fähigkeit, andere Dinge zu kennen als sich selbst, die Haupteigenschaft des Bewusstseins. Die Bekanntschaft mit Gegenständen besteht wesentlich aus einer Beziehung zwischen dem Bewusstsein und etwas anderem als dem Bewusstsein; diese Beziehung konstituiert die Fähigkeit des Bewusstseins, Dinge zu erkennen. Es gibt für den Menschen überhaupt keinen Grund, warum etwas, dass für ihn keine praktische Bedeutung haben kann, nicht wirklich sein sollte.
Wenn man die theoretische Bedeutung hinzuzieht, ist es laut Bertrand Russell allerdings wahr, dass alles Wirkliche für den Menschen von Bedeutung ist. Denn wenn der Mensch die Wahrheit über die Welt wissen will, hat er ein gewisses Interesse an allem, was es in der Welt gibt. Zusammengefasst ist es keineswegs selbstverständlich, in der Tat sogar falsch, dass der Mensch nicht wissen kann, ob etwas existiert, dass er nicht kennt.
Für den Philosophen gibt es auch keinen Grund, weshalb man nicht wissen sollte, dass es etwas gibt, was niemand kennt. Wenn der Mensch etwas kennt, das existiert, weiß er durch seine Bekanntschaft mit ihm, dass es existiert. Das gilt aber nicht umgekehrt, dass, wenn ein Mensch wissen kann, dass eine Sache existiert, dieser Mensch oder ein anderer, sie auch kennen muss.
Kurzbiographie: Bertrand Russell
Bertrand Russell wurde am 18. März 1872 in Trelleck geboren. Er studierte am Trinity College Mathematik und Sozialwissenschaften. Während des Ersten Weltkriegs kam er wegen der Aufforderung zur Verweigerung des Kriegsdiensts ins Gefängnis. Bertrand Russell lehrte an den Universitäten Harvard, Oxford, London, Peking, Chicago und Los Angeles.
1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Der große Denker beschäftigte sich unter anderem mit der Möglichkeit des Philosophierens in einem Zeitalter, das die Metaphysik verabschiedet hat und dessen Wissensstand entscheidend von der Naturforschung geprägt ist.
Zu seinen wichtigsten Werken zählen: „The Principles of Mathematics“ (1903), „The Problems of Philosophy“ (1912), „Mysticism and Logic“ (1917), „An Outline of Philosophy” (1927) und „An Inquiry into Meaning and Truth“ (1940). Bertrand Russell starb am 2. Februar 1970 in Wales.
Von Hans Klumbies