Menschen verfolgen Ziele

Fabian Scheidler weiß: „Ohne die Berücksichtigung der Innenwelt ergibt auch die Außensicht gar kein verständliches Bild des Lebens.“ Menschen können zum Beispiel die Tatsache, dass Lebewesen etwas zielgerichtet und absichtsvoll tun und nicht einfach nur mechanisch reagieren, ohne die Innenwelt nicht verstehen. Dass Menschen Ziele verfolgen, hat damit zu tun, dass sie Qualitäten erleben und sich an sie erinnern. Die menschlichen Ziele werden, ob im Großen oder Kleine, zu einem beträchtlichen Teil von der persönlichen Innenwelt geführt. Diese grundlegende Erfahrung kollidiert allerdings mit einem zentralen Dogma der modernen Biologie. Nämlich dass biologische Systeme allein von mechanistischen beziehungsweise chemischen Ursachen angetrieben werden und nicht von Zielen und Zwecken. Mit anderen Worten: Die Welt des Erlebens und Wollens kann nach diesem Dogma nicht Ursache für Verhalten sein. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

Jeden Tag erlebt man Ursachen-Wirkungs-Ketten

Doch genau solche Ursache-Wirkungs-Ketten erlebt man jeden Tag, zum Beispiel wenn man sich entscheidet, einen Spaziergang zu machen. Die persönliche Wahrnehmung führt zu einer Entscheidung, die eine Kette biochemischer Prozesse in Gang setzt. Nobelpreisträger Erwin Schrödinger formulierte einst: „Ich bin die Person, die die Bewegung der Atome gemäß den Gesetzen der Natur kontrolliert.“ Die meisten Biologen hingegen würden versuchen, diesen ganzen Vorgang vollkommen anders darzustellen.

Zum Beispiel so: Im evolutionären Kampf um das Überleben wurden vor Jahrmillionen diejenigen Exemplare der Gattung Homo positiv selektiert, die sich gern und viel bewegen. Dadurch bildeten sie folglich einen robusten Körperbau aus und vermehrten sich reichlich. Das Ergebnis ist ein genetisch angelegtes biochemisches Programm, das bei entsprechenden Umweltreizen auf das Zentralnervensystem den motorischen Apparat in Bewegung setzt.

Der Begriff „Teleologie“ hat für Verwirrung gesorgt

Fabian Scheidler stellt fest: „Diese Darstellung ist zwar nicht unbedingt vollkommen falsch.“ Sie erklärt nur nicht, warum man bei diesem Vorgang etwas erlebt und Entscheidungen treffen kann. Sie schildert, mit anderen Worten, die Entstehung einer Veranlagung, einer Verhaltenstendenz. Sie erklärt aber weder das korrekte Verhalten in einem bestimmten Moment noch die Fähigkeit, echte Entscheidungen zu treffen. Die Abneigung vieler Biologen, die Welt des Erlebens als Ursache für Verhalten zu akzeptieren, hängt mit einem bestimmten Begriff zusammen.

Dieser hat in der Geschichte der Biologie für sehr viel Verwirrung gesorgt. Es handelt sich dabei um den Begriff „Teleologie“. Das griechische Wort „telos“ bedeutet Ziel. Teleologie im weitesten Sinne beschäftigt sich mit ziel- und zweckorientierten Prozessen. Fabian Scheidler erklärt: „In Bezug auf Lebewesen können damit sehr verschiedene Dinge gemeint sein. Wirft man sie in einen Topf, entsteht ein heilloses Durcheinander. Und genau das ist in der Geschichte der Biologie entstanden.“ Quelle: „Der Stoff aus dem wir sind“ von Fabian Scheidler

Von Hans Klumbies