Im Sommer 1940 stand Großbritannien nun allein gegen Deutschland. Zu einem „billigen Frieden“, wie ihn sich Adolf Hitler vorstellte – für England das Empire, für Deutschland den Kontinent –, war es dennoch nicht bereit. Es war deshalb unklar, wie Deutschland weiter vorgehen sollte. Ulrich Herbert erklärt: „Eine Landungsoperation auf der britischen Insel war militärisch außerordentlich riskant und wurde schließlich verworfen. Stattdessen sollte das Land durch schwere Luftangriffe geschwächt und die Moral der Bevölkerung gebrochen werden.“ Tatsächlich richteten die deutschen Luftangriffe auf die britischen Großstädte schwere Schäden an. Aber trotz gewaltiger Zerstörungen und mehr als 20.000 Toten waren weder die Moral noch die Rüstungsproduktion der Briten nennenswert in Mitleidenschaft gezogen worden. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.
Die deutsche Führung rechnete mit einem schnellen Sieg über die Sowjetunion
Und die von der deutschen Propaganda mit enormen Getöse angekündigte „Luftschlacht um England“ endete mit einem Sieg der Briten, die nun ihrerseits mit Luftangriffen auf deutsche Städte begannen. Das Ziel der Deutschen, Großbritannien auf diese Weise in die Knie zu zwingen, wurde nicht erreicht. Nun stand Deutschland unter starkem Zeitdruck. Großbritannien musste besiegt sein bevor die USA in den Krieg eintraten – womit man etwa für den Herbst 1941 rechnete. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder man versuchte, die Briten durch den Angriff auf ihre Stützpunkte im Mittelmeer, in Nordafrika, am Suezkanal und im Nahen Osten zu besiegen oder aber man griff die Sowjetunion an.
Die deutsche Führung rechnete mit einem schnellen Sieg über die Sowjetunion innerhalb von wenigen Wochen. Ulrich Herbert fügt hinzu: „Anstelle einer vermutlich verlustreichen Landung in Großbritannien sollten auf diese Weise der britischen Führung die Hoffnungen auf eine weitere Fortsetzung des Krieges genommen werden.“ Das, so glaubte Adolf Hitler, würde auch die USA vom Kriegseintritt abhalten. Zwar bedeutete ein Angriff auf die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt einen Zweifrontenkrieg – den man angesichts der Erfahrungen im Ersten Weltkrieg unbedingt hatte vermeiden wollen.
Nach dem Sieg über Frankreich wähnten sich Adolf Hitler und die Wehrmacht unbesiegbar
Aber ein Krieg gegen die Sowjetunion stand auch in Übereinstimmung mit den politischen Grundüberzeugungen Adolf Hitlers, der im Kampf um „Lebensraum“ im Osten, die Zerschlagung der Sowjetunion und die Beendigung der dortigen „Judenherrschaft“ seit jeher als Kern seiner außenpolitischen Zielvorstellungen propagiert hatte. Am 18. Dezember 1940 befahl er schließlich die Vorbereitung des Angriffs. Das optimistische Kalkül der deutschen Führung, die Sowjetunion innerhalb kurzer Zeit zu besiegen, war nicht völlig abwegig.
Zwar überschätzte die deutsche Führung ihre eigenen Möglichkeiten erheblich. Aber nach dem Sieg über Frankreich wähnten sich Adolf Hitler und die Wehrmacht unbesiegbar – kein Plan schien zu groß, kein Ziel zu phantastisch, kein Gegner zu mächtig. Geplant war der Angriff für Mitte Mai 1941. Dass er sich erheblich verzögerte, war auf die Situation auf dem Balkan zurückzuführen. Um während des geplanten Krieges gegen die Sowjetunion nicht von Süden her angegriffen zu werden, ließ Adolf Hitler die Wehrmacht in Jugoslawien und Griechenland einmarschieren. Quelle: „Das Dritte Reich“ von Ulrich Herbert
Von Hans Klumbies