Der neue Wunderwerkstoff Karbon ist federleicht und bärenstark

Karbon, das aus Kohlenstofffasern besteht, vereinigt in sich viele Vorzüge: es ist äußerst leicht und dennoch extrem stabil und belastbar. Vergleicht man Karbon zum Beispiel mit Stahl, ist es nicht einmal halb so schwer. Und auch gegenüber Aluminium ist es noch um ein Drittel leichter. Deshalb gilt Karbon in der Autobranche als der Werkstoff, der dem Elektroauto in Deutschland zum Durchbruch verhelfen soll. Denn je weniger ein Elektrofahrzeug wiegt, desto mehr Kilometer kann es zurücklegen, bevor es wieder an die Steckdose zum Aufladen muss. Zum geringen Gewicht des Produkts Karbon gesellen sich noch weitere entscheidende Vorteile: Verbundstoffe aus Karbonfaser korrodieren nicht. Rost ist deshalb für Autos aus Karbon kein Thema mehr. Professor Klaus Drechsler von der Technischen Universität München erläutert einen weiteren Vorzug: „Dazu zeichnen sie sich durch einige interessante funktionale Eigenschaften aus, etwa durch die Möglichkeit zur einfachen Integration von Sensoren, die den Betriebszustand überwachen.“

Die meiste Erfahrung mit Karbon hat die Flugzeugindustrie gesammelt

Nicht nur die Autoindustrie, auch andere Branchen lieben den Werkstoff, der in der Produktion wahre Wunder verspricht. Die meiste Erfahrung mit dem Material haben bislang die Hersteller von Flugzeugen gesammelt. Beim Großflugzeug Airbus A380 bestehen rund 25 Prozent von Rumpf und Flügeln aus Karbon, bei der Boeing 787 Dreamliner sind es nahezu 50 Prozent. Bei den nächsten Flugzeugmodellen soll der Anteil von Karbon noch einmal erhöht werden. Dadurch werden die Flugzeuge leichter und sparen Treibstoff.

Radfahrer profitieren ebenfalls vom Werkstoff Karbon. Fahrradrahmen aus Karbonfasern haben nur noch ein Gewicht von knapp über einem Kilogramm. Auch die Hersteller von Windrädern setzen Karbon ein, um den Flügeln ihrer Anlagen mehr Stabilität zu verleihen. Klaus Drechsler fügt hinzu: „Auch im Maschinen- und Anlagenbau hat das Material viele Vorteile. Es dehnt sich zum Beispiel bei Wärme nicht aus, sodass Maschinen mit Karbonbauteilen präziser arbeiten können.“

Bei der Herstellung von Karbon werden die Hochtemperaturöfen über 1.000 Grad aufgeheizt

Auch die Produktion von Karbon ist außergewöhnlich. Haarfeine kohlenstoffreiche Acrylfasern sind das Ausgangsmaterial. Sie werden zu langen dünnen Garnen versponnen. In einem Hochtemperaturofen werden anschließend alle unerwünschten Stoffe herausgebrannt. Heraus kommt eine äußerst belastbare Faser, die aus 95 Prozent Kohlenstoff besteht. Die dünnen Stränge werden dann zu einer Matte verwoben. Das Gewicht beträgt nur wenige Hundert Gramm pro Quadratmeter. Am Ende werden die Matten in die gewünschte Form gepresst und in einem Ofen mit Kunstharz verbacken.

Einen Nachteil hat das Material allerdings: es benötigt bei der Herstellung sehr viel Energie. Vor allem die Hochtemperaturöfen brauchen wahnsinnig viel Strom, da sie weit über 1.000 Grad aufgeheizt werden müssen. Laut Rainer Kehrle, Geschäftsführer des Forschungsverbundes MAI Karbon, schneidet Karbon allerdings gegenüber anderen Materialen beim Energieverbrauch gar nicht so schlecht ab: „Einen Kubikmeter Aluminium herzustellen, schluckt ähnlich viel oder sogar mehr Energie als ein Kubikmeter Karbonbauteil. Dazu kommt, dass wegen der besseren Materialeigenschaften deutlich weniger al sein Kubikmeter Karbon nötig ist, um einen Kubikmeter Aluminium zu ersetzen.“

Von Hans Klumbies