Der Jazz-Saxophonist Joe Lovano spielt "Bird Songs"

Joe Lovano gehört zu den vielseitigsten Saxophonisten des Jazz. Der 58-jährige Amerikaner hat seine neue CD „Bird Songs“ Charlie Parker gewidmet. Er begründet dies damit, dass ihm sein Vater das Saxophonspiel mit der Musik Charlie Parkers beigebracht hat. Joe Lovano erzählt: „Viele Lehrstunden bei meinem Dad bestanden darin, dass wir Parkers Melodien und Soli unisono gespielt haben. Mein Vater sprach ein Leben lang davon, was für ein Genie der gewesen sei.“ Anfang der fünfziger Jahre hatte sein Vater Charlie Parker sogar einmal live erlebt, wobei der ganze Saal vibriert habe. Charlie Parkers Ton und Phrasierung seien ungemein klar und intensiv gewesen. Die Schallplattenaufnahmen konnten diese Technik und Stimmung bei weitem nicht wiedergeben.

Joe Lovano deutet auf „Bird Songs“ Charlie Parker um

Einen ähnlichen Erweckungsmoment wie sein Vater hatte auch Joe Lovano mit der Musik von Charlie Parker und zwar als er verstand wie dieser synkopiert. Joe Lovano erklärt: „Das hat mir die Rhythmik des modernen Jazz erschlossen.“ Das Synkopieren und Phrasieren begriff er erst, als er Melodien von Charlie Parker wie „Confirmation“ oder „Anthropology“ studierte. Die Idee zu seinem neuen Album „Bird Songs“ hatte Joe Lovano im vergangen Jahr bei einem Gig beim Jazzfestival auf Barbados.

Joe Lovano erzählt: „Dort wollte ich unbedingt die gleichnamige Nummer von Charlie Parker spielen. Das war der Ausgangspunkt für das Album. Als zweiten Song haben wir uns dann „Donna Lee“ vorgenommen.“ Beim Sammeln der Ideen für das Album entwickelte Joe Lovano das Konzept für „Bird Songs“ – Charlie Parker umdeuten. So beginnt er zum Beispiel die „Yardbird Suite“ als Spiritual. Die Inspiration dafür entdeckte Joe Lovano bei John Coltranes „Crescent“.

Die Musik von Charlie Parker kann Joe Lovano immer hören

Joe Lovano fand die Umkehrung reizvoll, da John Coltrane stark von Charlie Parker beeinflusst war. Er unterzog also eine von Charlie Parkers Nummern dem John Coltrane Einfluss und behandelte sie wie eine frei improvisierte, spirituelle Hymne. Den Song „Ko-Ko“ spielt Joe Lovano auf „Bird Songs“ im Trio mit zwei Schlagzeugern. Er erläutert: „Wir spielen eigentlich nicht „Ko-Ko“, sondern nur das Intro, das Charlie Parker 1945 im Trio mit Dizzy Gillespie an der Trompete und dem Schlagzeuger Max Roach – also ohne Bass und Klavier – aufgenommen hat.“

Für Joe Lovano hat sich aus diesem Stück die Musik von Ornette Coleman entwickelt. Er sagt: „Deswegen spielen wir über dieses Intro sehr frei und abstrakt – eben ein bisschen so, wie später Ornette Colemans Musik geklungen hat.“ Bei den Harmonien von „Cherokee“ hat Joe Lovano mehr der Komponist Charlie Parker interessiert als der Virtuose am Saxophon, da die Welt ein solches extra komponiertes Thema aus Trompete, Altsaxophon und Schlagzeug bis dahin noch nicht gehört hatte. Bei der Vorbereitung auf die „Bird Songs“ brauchte Joe Lovano die Stücke von Charlie Parker nicht neu studieren. Er begründet dies wie folgt: „Ich höre seine Musik ohnehin die ganze Zeit. Man kann Charlie Parker hören, ohne seiner überdrüssig zu werden.“

Von Hans Klumbies