Soziale Differenzen führen leicht zu Herrschaft

Eine grundlegende Äußerungsform der Vereinigungsfreiheit ist das Recht zu heiraten, wen man möchte. Danielle Allen erklärt: „Wenn in Zuneigung zueinander verbundene Menschen sich zu Ehepartnern zusammenfinden, bilden sie Bausteine zu kulturell homogenen Einheiten.“ Unabhängig davon, wie Heiratsmärkte genau beschaffen waren, haben sie normalerweise unterscheidbare ethnische Gemeinschaften hervorgebracht. Und es besteht aller Grund zu der Annahme, dass Vereinigungsfreiheit dieses Muster eher verstärkt als untergräbt. Denn einander ähnliche Menschen neigen dazu, sich zueinander zu gesellen. Diese Tatsache zählt zu den Grundbausteinen der menschlichen Sozialorganisation. Wo es soziale Differenzen gibt, kann es leicht auch zu Herrschaft kommen. Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

Menschen wollen Ressourcen auf ihre Gruppe vereinen

Dabei müssen Menschen nicht einmal eine besondere Abneigung gegenüber Fremdgruppen hegen. Auch so werden die Mitglieder einer sozialen Gruppe lediglich aufgrund der Präferenzen der Eigengruppe häufig darauf aus sein, Chancen und Ressourcen auf ihre Gruppe zu vereinen. In seiner extremsten Form kann der Schutz der Vereinigungsfreiheit eine soziale Ausdifferenzierung erzeugen, die zu Kastengesellschaften führt. Solche Gesellschaften sind durch schwere soziale Sanktionen gekennzeichnet, welche die Vereinigungsfreiheit faktisch einschränken.

Eine derartige Verknüpfung von Differenz mit Herrschaft verringert die Aussichten, dass eine Gesellschaft politische Gleichheit erlangt. Danielle Allen stellt sich die Frage, wie man zu Differenz ohne Herrschaft gelangen kann. Was Differenz mit Herrschaft bedeutet, ist hinreichend bekannt. Nämlich die Situation, wenn soziale Unterscheidungsmuster so ausgerichtet sind, dass manche Gruppen andere Gruppen aktiv oder vorbehaltlich unter Kontrolle haben. Differenz ohne Herrschaft sollte das Prinzip sein, das Entscheidungen über Grundstruktur, Gesetze und Institutionen leitet, welche die grundlegenden gesellschaftlichen Spielregeln festlegen.

Die gleichen Grundfreiheiten müssen geschützt werden

Nur ein Schutz der gleichen Grundfreiheiten kann für Danielle Allen letzten Endes tatsächlich als Schutz zählen. Dieser muss seinerseits so gestaltet sein, dass er dem Maßstab von Differenz ohne Herrschaft gereicht wird. Nur so kann es ihm gelingen, die gleichen Grundfreiheiten, und zwar vor allem die politische Gleichheit zu schützen und sie nicht zu untergraben. Ein Schutz der gleichen Grundfreiheiten, der so gestaltet ist, sollte soziale Gleichheit und ökonomischen Egalitarismus zur Folge haben.

Der Maßstab des Strebens nach Differenz ohne Herrschaft macht nicht zwangsläufig die Schaffung von neuen politischen Programmen oder Maßnahmen nötig. Stattdessen verlangt er eine Überprüfung der gegenwärtigen Politik in allen sozialpolitischen Bereichen. Dazu zählt die Verkehrspolitik, die Wohnungsbaupolitik, die Bildungspolitik, die Gesundheitspolitik usw. Danielle Allen vertritt den alternativen Ansatz, bei dem die Überprüfung der Politik eher auf einem Bild der Gerechtigkeit beruht, das sich grundsätzlich auf politische Gleichheit beziehungsweise egalitäre Ermächtigung stützt. Quelle: „Politische Gleichheit“ von Danielle Allen

Von Hans Klumbies