Start-ups sind per definitionem aggressiv

Die Essensbringdienste haben Europa unter sich aufgeteilt. Andreas Barthelmess nennt den Grund: „Tatsächlich ist es für alle Unternehmen besser, in einem Markt gut zu laufen, statt in mehreren Verluste zu sammeln und weiterzustrampeln.“ Start-ups sind unkonventionell und unideologisch, sie reizen nicht nur die Grenzen des Erlaubten voll aus, sie übertreten sie auch. Regelbrüche und Strafen sind Teil der Risikoabwägung, schließlich will man ja den Markt verändern. Lieber stirbt man einen schnellen Tod, als Risiken zu vermeiden und langsam dahinzukränkeln. Manchmal muss man sich zurückziehen. Aber angreifen muss man immer. Martialisch, aber wahr: Start-ups sind per definitionem aggressiv. „Avantgarde“ eben, das heißt ursprünglich „militärische Vorhut“. Deshalb ist die Start-up-Rhetorik kriegerisch, um Political Correctness schert man sich nicht. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

In der Welt der Start-ups geht es kriegerisch zu

Man führt „Blitzkriege“ oder täuscht den Gegner und Kunden mithilfe eines „Trojanisches Pferdes“. Motto: Erst mal Daten sammeln, dann schauen wir weiter. Man muss schneller und härter sein als die Konkurrenz. Kein Wunder also, dass dieses Fightclub-Spiel gerade junge Männer anzieht. Die Maxime, könnte man mit Samuel Beckett sagen, heißt: „Ever tried. Ever failed. No matter. Trai again. Fail again. Fail better.” Weil es so kriegerisch zugeht in der Welt der Start-ups, reüssieren hir vor allem die aggressiven Extremtypen.

Mit Freibeutern und Fremdenlegionären gewinnt man die erste große Schlacht, den Krieg aber gewinnt man mit ihnen nicht – und schon gar nicht den Frieden. Den gewinnt man mit den Köpfen, mit denen sich dann auch Staat machen lässt. Klingt brutal und krass nach Krieg. Stimmt. Für die Kunden aber sieht es gar nicht so schlimm aus. Aber man darf sich nicht täuschen lassen. Gründer und ihre ersten Mitstreiter sind immer die ökonomische Avantgarde und die hat, wie gesagt, eine militärische Tradition.

Venturecapital wettet auf die Weltherrschaft

Aber wer rüstet sie auf, und wer finanziert diese militärische Aggressivität? Das Venturecapital, und „venture“ heißt nicht von ungefähr „Wagnis“ oder „Abenteuer“. Warum aber investiert das Venturecapital in riskante Start-ups? Andreas Barthelmess kennt die Antwort: „Weil es, salopp gesagt, auf die Weltherrschaft wettet, mindestens aber auf die Marktherrschaft.“ Denn manchmal, insbesondere bei stark regulierten, großen Märkten wie dem Finanz- oder Gesundheitsmarkt, reicht noch die nationale Dominanz zum Erfolg.

In jedem Fall zielt das Prinzip des Angriffs der disruptiven Start-ups auf Dominanz. So gering die Chancen sind, dass sich ein Start-up am Markt durchsetzt: Falls es gelingt, winkt die Alleinherrschaft. Die Theorie der Disruption besagt: sofort starten, viel testen, schnell und billig scheitern. Oder, anders gesagt, auch wenig ausgereifte Produkte schnell auf den Markt werfen, schnell scheitern, schnell lernen, weitermachen. Das Risikokapital ist der Kraftstoff dieser Entwicklung. Quelle: „Die große Zerstörung“ von Andreas Barthelmess

Von Hans Klumbies

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