In seinem ersten Buch „Die große Zerstörung“ vertritt Andreas Barthelmess die These, dass sich viele Menschen von den digitalen Brüchen und den dadurch entstehenden Zerstörungen überfordert fühlen. Deshalb polarisiert sich die Gesellschaft. Es entstehen Gruppen, die sich unversöhnlich und feindselig gegenüberstehen. Künstliche Intelligenz und autonomen Maschinen vernichten Arbeitsplätze. Facebook, Google und Chinas Datenmacht steuern auf einen globalen Staatsstreich zu. Doc im Bruch liegt für Andreas Barthelmess auch die Lösung: „Digitale Bewegungen wie #MeToo und Fridays for Future machen Hoffnung auf eine neue demokratischen Weltordnung.“ Der Autor analysiert scharfsinnig die digitale Kultur und macht konkrete Vorschläge für die Politik. Das Gefühl der Alternativlosigkeit kennt er nicht. Vor allem aber glaubt er an das vereinte Europa: „In flexiblen Allianzen macht es sich auf zur globalen Bürgergesellschaft.“ Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.
Viele Deutsche lehnen Disruption und Digitalisierung ab
Laut Andreas Barthelmess ist die Disruption, der Bruch, das Phänomen der
Gegenwart. Disruption meint eine ganz neue, plötzliche und schnelle, ja explosionsartige Entwicklung mit völlig neuen Ansätzen unter völlig neuen Bedingungen. Sie ist immer und überall und in allen Lebensbereichen. Disruptionen prägen die Kultur und den Konsum, die Ökonomie und die Gesundheit, die Liebe und die Ernährung sowie vor allem die Politik. Die Welt ist digital. Um die Zukunft zu gestalten, muss man zuerst einmal die Gegenwart verstehen.
Dem sagenhaften Aufstieg von Apple, Amazon und Alibaba stellt Andreas Barthelmess die Abstieg Deutschlands entgegen: „Statt stolzer, innovativer Deutschland AG sind wir plötzlich nur noch der Absatzmarkt für diese Winner-takes-it-all-Plattformen, Getriebene statt Gestalter.“ Viele Deutsche lehnen Disruption und Digitalisierung ab. Sie finden, sie stören ihre Ruhe und bringen unbekannte Risiken mit sich. So ähnlich wie Fluglärm, Atomkraftwerke und Flüchtlinge.
Es droht eine globale digitale Oligarchie
Am meisten Macht haben heutzutage Google, Facebook, Amazon und Microsoft. Buchstäblich auf Schritt und Tritt enteignen sie ihre Nutzer. Sie nehmen ihnen ihre persönlichen Daten, ihre Fotos und ihre Standorte, ihre Bewegungsprotokolle und Konversationen weg. Andreas Barthelmess weiß: „Permanent lesen sie mit, belauschen, saugen sie unserem Leben Daten ab.“ Sie wissen vieles über ihre User, was diese teilweise selbst nicht wissen und schrecken auch vor dem Datenraub nicht zurück. Dies geschieht zum Beispiel durch die Transkription illegal mitgeschnittener Gespräche.
Die Welt von morgen könnte eine globale digitale Oligarchie sein. Noch lässt sich diese Dystopie verhindern. Ob man es will oder nicht, der technologische Fortschritt treibt die Welt voran, und jeder läuft mit. Man kann den Fortschritt zwar nicht aufhalten, aber steuern und gestalten. Das ist machbar, allerdings nicht ohne Kultur. Denn ohne Kultur geht gar nichts, auch nicht auf dem Markt. Es gibt keinen ökonomischen Erfolg ohne bunte, mitreißende Erfolgsgeschichten. Vor allem Europa braucht jetzt eine starke Erzählung: Bold Europe.
Die große Zerstörung
Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht
Andreas Barthelmess
Verlag: Duden
Gebundene Ausgabe: 255 Seiten, Auflage: 2020
ISBN: 978-3-411-74733-7, 18,00 Euro
Von Hans Klumbies