Menschen reagieren unbewusst aufeinander und stimmen sich untereinander ab. Wer einem zornigen Menschen gegenübersteht, runzelt unweigerlich die Stirn. Wer glückliche Menschen anschaut, muss selbst schmunzeln und zieht die Mundwinkel nach oben. Werner Bartens erklärt: „Gesichtsausdrücke prägen sich nicht nur ein, sie regen auch zur Nachahmung an.“ Die allermeisten Menschen sind keine Einzelkämpfer, auch nicht des anderen Wolf und erst recht kein Steppenwolf. Sie sind vielmehr miteinander verbunden, aufeinander abgestimmt – und dies gilt nicht nur für Stimmungen und Gefühle, sondern auch für die vielen Gelegenheiten, bei denen verschiedene Körper im Gleichklang schwingen. Viele Menschen lassen sich schnell von anderen anstecken, es ihnen gleichzutun. Sieht man die mimischen Bewegungen eines anderen Menschen, reagiert man automatisch und in Bruchteilen von Sekunden und ahmt die Mimik seines Gegenübers nach. Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.
Die meisten Menschen gieren nach Resonanz
Gähnen steckt an und wird von Forschern als ein Zeichen der Empathie gewertet. Menschen ahmen einander in vielen Situationen nach, sie können das gar nicht verhindern. Schon das Baby ahmt den Erwachsenen nach. Die körperliche Synchronisierung kann ein Zeichen von Einverständnis, Einklang und Harmonie sein. Manchmal erfolgt sie allerdings auch aus rein pragmatischen Gründen. Die meisten Menschen gieren nach Resonanz. Sie brauchen einen Widerhall, einen Gegenpart. Die schlimmste Form des Missbrauchs ist daher die totale Isolierung und Vernachlässigung.
Werner Bartens erklärt: „Da ist niemand, auf den man seine Wut, seine Angst oder andere Gefühle der Hilflosigkeit richten kann – man kommt sich vor wie Luft und macht die furchtbare Erfahrung, dass man keinerlei Reaktion hervorruft.“ Die Erfahrung, nicht beachtet zu werden und auf seine Lebensäußerungen keine Antwort zu bekommen, hallt noch für Jahre und Jahrzehnte nach. Oft bietet man andern Menschen ein Echo, auch wenn sie gar nicht danach fragen. Kommt die Musik ins Spiel, ist der Wunsch nach Widerhall und Synchronisierung geradezu unwiderstehlich.
Die Suche nach Resonanz scheint ein instinktives Verhalten zu sein
Wer selbst Musik macht, kennt das empathische Miteinander umso besser. Es geht dabei nicht darum, stur seinen Part durchzuspielen, sondern die anderen mitzunehmen, auf sie zu hören und sich dem gemeinsamen Klang verpflichtet zu fühlen. Menschen, die miteinander Musik machen, müssen sich nicht zwangsläufig gut verstehen. Die Suche nach Resonanz, nach Widerhall, nach einem Gegenüber scheint ein instinktives Verhalten des Menschen zu sein. Leider zeigt sich diese Tendenz zur Mimikry auch dann, wenn es um weniger erwünschte Eigenschaften und Verhaltensweisen geht.
Abhängigkeit und Sucht werden beispielsweise in hohem Maße davon geprägt, welche Nähe zu Gleichaltrigen aufgebaut wird und wie sich das sonstige soziale Umfeld verhält. Die körperliche Angleichung beim Gähnen, Laufen oder Sitzen findet zumeist unbewusst statt und ist ein Zeichen der Anpassung und auch der Anteilnahme. Mit den körperlichen Anverwandlungen kommt man auch der Gefühlswelt seines Gegenübers entscheidend näher. Die körperlichen Erfahrungen und Erlebnisse beeinflussen die Wahrnehmung. Quelle: „Empathie“ von Werner Bartens
Von Hans Klumbies