Indien erlangt im August 1947 seine Unabhängigkeit

Indien hatte am 15. August 1947 eine „Verabredung mit dem Schicksal.“ So formulierte es Premierminister Jawaharlal Nehru in seiner brillanten Rede zur Erlangung der Unabhängigkeit Indiens vom britischen Empire. Mahatma Gandhi hatte es seit dem Jahr 1919 verstanden, die Massen zum gewaltfreien Widerstand gegen die Kolonialherren zu mobilisieren. Thomas Seifert erklärt: „Er protestierte mit dem berühmten Salzmarsch von 1930 gegen die Salzsteuer und wurde zur ersten Anti-Globalisierungs-Ikone, indem er das Spinnrad propagierte.“ Anstatt billige Baumwolle an die Briten zu liefern, denen man dann teure Hemden abkaufen musste, sollten seine Landsleute ihre Kleindung selbst herstellen. Sein Slogan lautete: Swaraj – Selbstbestimmung. Die britische Haltung gegenüber den Unabhängigkeitsbestrebungen Indiens verhärtete sich während des Zweiten Weltkriegs. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

Der Kontinent teilt sich in Indien und Pakistan

Die Lage spitzte sich im August 1942 zu, als Mahatma Gandhi seine Quit-India-Kampagne begann, in der die Briten aufgefordert wurden, sofort abzuziehen. Gleichzeitig startete eine Kampagne des zivilen Ungehorsams, die für Großbritannien zu einem Zeitpunkt kam, da man in London einen deutsch-japanischen Angriff auf Indien befürchtete. Die Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Etwa 100.000 Inder kamen in Haft, tausend Aufständische wurden getötet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rückte dann der Traum von der Unabhängigkeit Indiens in greifbare Nähe.

Am 20. Februar 1947 gab die Labour-Regierung in London bekannt, dass die Briten bis Juni 1948 aus Indien abziehen würden. Am 22.März 1947 übernahm Lord Louis Mountbatten in Delhi sein Amt als Vizekönig. Am 3. Juni 1947 um neunzehn Uhr Ortszeit gab Mountbatten, nach hektischen Beratungen mit allen Parteien, in einer Radiosendung den „Final Plan“ bekannt, der die Übertragung der Macht an Indien und Pakistan mit 15. August 1947 vorsah. In den folgenden Tagen wurden auf Pressekonferenzen und Reden die skizzenhaften Umrisse des Teilungsplans konkretisiert.

Ein Hindu-Fanatiker erschoss Mahatma Gandhi

Die Tragödie der Teilung war, dass die Gewalt unvorstellbar eskaliert ist – bis hin zu ethnischen Säuberungen. Insgesamt starben bei den blutigen Auseinandersetzungen wohl bis zu einer Million Menschen. Die Teilung markierte das Ende des Empire und die Geburt zweier Nationen: Indien und Pakistan. Bis heute führten die beiden Länder vier Kriege gegeneinander. Pakistan hat in der Vergangenheit Terrorattacken auf Indien unterstützt. Beide Nationen sind im Besitz der Atombombe, die vor allem den Nachbarn bedrohen soll.

Mahatma Gandhi verfiel ob seines geplatzten Traums von einem Indien, in dem Hindus, Sikhs, Muslime, Buddhisten, Parsen und Christen in Harmonie leben würden, und ob der überall um sich greifenden Gewalt in eine tiefe Depression. Dass Unabhängigkeit gleichzeitig auch Teilung hieß – das hatte er nicht gewollt. Und dass er am 30. Januar 1948 vom Hindu-Fanatiker Nathuram Godse erschossen wurde, ist ein besonders deprimierender Aspekt des Konflikts zwischen Moslems und Hindus dieser Jahre. Quelle: „Die pazifische Epoche“ von Thomas Seifert

Von Hans Klumbies