Athen begründet das Mehrheitsprinzip der Demokratie

Die Demokratie ist ein Archetypus des Politischen. Bereits die homerischen Epen lassen erkennen, welche Bedeutung in Kriegergesellschaften neben physischer Stärke den Gemeindeversammlungen und Diskussionen zukam. Bernd Roeck fügt hinzu: „Der Krieg war denn auch einer der Väter der griechischen Demokratie mit ihren hochentwickelten Institutionen, stärkte er doch den Einfluss derer, die seine Hauptlast zu tragen hatten: die schwerbewaffneten Fußsoldaten.“ Die Entwicklung mag in Athen ähnlich verlaufen sein wie im Rom des 5. Jahrhunderts vor Christus, wo die Infanterie sich neben die aristokratischen Reitertruppen schob und selbstbewusst Mitsprache einforderte. Neu im Fall der athenischen Demokratie war, dass sich hier zum ersten Mal das Mehrheitsprinzip in einer größeren, arbeitsteiligen und schriftkundigen Gemeinschaft durchsetzte. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Erste Formen politischer Repräsentation finden sich in Spanien

Die Griechen waren es auch, die das bisher beste aller Politikmodelle als erste und für lange Zeit am gescheitesten durchdachten. Doch gerieten ihre Überlegungen in Vergessenheit. Das Modell überlebte auf dem Land und in Klosterkonventen aller Couleur. Hier zählte ebenso die Mehrheit wie in „Gesellschaften ohne Staat“. Demokratische Formen pflegten wohl auch öffentliche Versammlungen freier Männer in den Nachfolgestaaten des weströmischen Reiches.

Im Mittelalter ließ sich die Idee der Freiheit aus dem Naturrecht und der Bibel begründen. Erste Formen politischer Repräsentation, einem der wichtigsten Beiträge des westlichen Mittelalters zur Weltgeschichte, finden sich in Spanien. Hier, vermutlich in León, berief der gerade zur Macht gelangte Alfons IX. im Jahr 1188 eine Versammlung ein, an der neben der Aristokratie und dem hohen Klerus auch Abgesandte von Städten teilnahmen. Bemerkenswert ist, dass es sich dabei um „gewählte Bürger aus jeder Stadt“ handelte, also um Vertreter der Kommunen.

Der Hauptgrund für die Entstehung von Parlamenten war Geldmangel des Herrschers

Dieses „Parlament“ – der Begriff konnte auch die Vollversammlung einer Bürgerschaft meinen – verabschiedete Bestimmungen, die Freiheitsrechte garantierten. Offenbar ging es vor allem um die Befriedung eroberter muslimischer Städte. Zudem benötigte der König Steuerbewilligungen. So deuten sich bereits hier die wichtigsten Anlässe für die Entstehung von Parlamenten an: Ein neuer Herrscher versuchte, seine Macht zu festigen, möglichen Widerstand die Spitze zu nehmen und das Volk seiner Städte zu integrieren.

Dazu kam jetzt und in Zukunft als Hauptgrund Geldmangel. Die Tentakel der bürokratischen Kraken der jungen Staaten reichten gewöhnlich nicht so weit, dass sie die für Heere, Flotten und Bauten notwendigen Mittel aus allen Städten und Dörfern des Landes hätten ansaugen können. Allein die Magnaten, Kleriker und Bürger, die der König einlud, hatten schließlich direkten Zugriff auf die Geldbeutel in der Provinz. Dafür konnten sie beim König Beschwerden einreichen, die Abstellung von Missständen anmahnen sowie Freiheiten und Privilegien einfordern. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck

Von Hans Klumbies