Die Demokratie lebt von der Kritik

Ausgewogene Kritik und Kritikfähigkeit sind wesentliche Werte und Voraussetzungen des zivilen Staates der Demokratie. Silvio Vietta ergänzt: „Sie sind auch notwendige Voraussetzungen zur Selbst-Bildung einer guten Individualität.“ Eine selbstkritische Einstellung ist nötig, um die richtige Schule und Berufsausbildung für sich auszuwählen. Sie hilft später dabei, den richten Beruf und vor allem auch den richtigen Partner fürs Leben zu finden. Ein gutes Zusammenleben zwischen Menschen setzt Kritikfähigkeit voraus, den richtigen Blick für die Schwächen und Stärken des Partners – wie auch die eigenen Schwächen und Stärken. Kritikfähigkeit beinhaltet auch die Fähigkeit, berechtigte Kritik auszuhalten. Im Allgmeinen ist das eine Leistung einer stabilen Persönlichkeit. Kritik und Kritikfähigkeit setzen also die Bildung zu einer eigenen Urteilsfähigkeit voraus. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Der Umgang mit den Medien sollte selbstkritisch sein

Dabei handelt es sich eben um jenes eigenständige Denken, das zu einem Hauptwert des abendländischen Wertesystems zählt. Darüber hinaus setzen funktionierende Demokratien ein hohes Maß auch an politischer Urteilsfähigkeit seiner Eliten wie Bürger voraus. Silvio Vietta stellt fest: „Ohne diese kann keine vernünftige demokratische Steuerung des Staates nicht gelingen.“ Wenn die Kritikfähigkeit der Bürger eines Staates nicht weit genug ausgebildet ist, oder gar fehlgeleitet, tendieren sie dazu „Schlangenfänger“ zu wählen.

Dazu zählt Silvio Vietta Diktatoren, Populisten, oftmals egomane Politiker, die es aber mit Spürsinn verstehen, die Nöte und Ängste der Bürger einzufangen, zu artikulieren und in eigene Wahlversprechen umzumünzen. Kritik und Kritikfähigkeit braucht der Bürger auch in Bezug auf die Neuen Medien. Vor allem den selbstkritischen Umgang mit den Medien im Sinne einer vernünftigen Dosierung des eigenen Mediengebrauchs. Insbesondere verlangt das Internet mit seiner Masse an diffusen Informationen nach einem kritischen Geist der Beurteilung.

Kritisches Denken ist das Gegenteil von Dogmatismus

Bereits die aggressive und emotionale Form von vielen Botschaften verrät sie selbst als das, was sie sind: Hassbotschaften. Auch der Umgang mit den Massenmedien verlangt kritisches Denken. Silvio Vietta erklärt: „Dessen Kriterium ist oftmals das Aufspüren von Widersprüchen.“ Einige Sendungen haben daher auch eine Art „Faktencheck“ eingeführt. Dieser hat die Aufgabe, die Äußerungen von Politikern und anderen Persönlichkeiten an jenen Fakten zu überprüfen.

Silvio Vietta wünscht sich manchmal, dass die Medien einen solchen Faktencheck auch in Bezug auf die eigene Berichterstattung einsetzen würden. Kritik und Kritikfähigkeit setzen zudem eigenständiges Denken voraus. Als solche repräsentieren sie Hochwerte der abendländischen Kultur im Sinne einer permanenten Dynamik des Weiterdenkens und der Fortentwicklung geistiger Positionen. Kritisches Denken ist das Gegenteil von Dogmatismus und ideologischer Erstarrung. Es ist vielmehr der Garant einer offenen Gesellschaft. Quelle: „Europas Werte“ von Silvio Vietta

Von Hans Klumbies