Missgunst schädigt und verzerrt die Politik

Missgunst ist sicher eine eindrucksvolle Kraft. Aber sie schädigt die Politik und verzerrt sie, sodass sie nicht mehr in freien und gleichen Beziehungen zu andern besteht. Durch Missgunst kann Politik zu einer anderen Form der Rache werden, zur Durchsetzung der eigenen Vorstellungen dienen oder „uns“ gegen „die“ aufbringen. Deshalb handelt Ned O’ Gormans Buch „Politik für alle“ vom Unterschied zwischen authentischer und pervertierter Politik. Natürlich gibt es überall Hinweise darauf, dass die pervertierte Politik sich durchsetzt. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich beispielsweise die Polarisierung in den USA auf dramatische Weise verstärkt. Viele Menschen haben sich dort in ihre politischen Kokons verrannt, die sich fernab aller Zweifel, Meinungsverschiedenheiten und anderslautender Daten immer mehr ausbreiten. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

Viele Menschen meiden und ignorieren die Politik

Politikwissenschaftler und Medienforscher erfinden neue Begriffe zur Beschreibung dieses Phänomens. Nämlich Filterblasen, affektive Polarisierung, expressive Parteilichkeit und viele mehr. Ned O’ Gorman stellt fest: „Sie alle verweisen letztlich auf die gleiche Grundsituation, nämlich die Vorherrschaft einer perversen Parteilichkeit.“ Diese sind für gewisse Meiden und Social-Media-Konzerne äußerst gewinnbringend. Viele Menschen sind unfähig, die Welten der anderen zu sehen. Ganz zu schweigen von der Welt selbst, die jenseits ihrer parteiischen Standpunkte liegt.

Niemand ist gänzlich frei von dieser Kurzsichtigkeit. Bildung ist in dieser Hinsicht keineswegs das Allheilmittel, für das man sie halten mag. Eine Studie des Pew Research Center von 2016 kommt sogar zum gegenteiligen Schluss: Je gebildeter man ist, umso eher beharrt man auf seiner Weltsicht. Andere Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, sich in der eigenen Filterblase festzufahren, mit zunehmendem politischem Interesse steigt. Es überrascht nicht, dass viele Menschen sich dazu entschieden haben, die Politik zu ignorieren, vor ihr zu flüchten oder sie anderweitig zu meiden.

Ned O’ Gorman verteidigt die Würde der Politik

Ned O’ Gorman weiß: „Politische Diskussionen haben zahllose Freundschaften zerstört und Familienfeiern jäh beendet.“ Wer sich mit seinen Kollegen gut verstehen möchte, meidet Gespräche über Politik. Die „New York Times“ berichtete von einer Frau, die alle ihre Freunde verlor, weil sie Donald Trump gewählt hatte. „Freundinnen und Freude, die ich seit 40 Jahren kannte“, beklagte sie. „Ich sage Ihnen, das ist verrückt.“ „Verrückt“ ist tatsächlich eine gute Beschreibung für die verzerrte Politik der Gegenwart.

Sie zeigt sich auch am unstillbaren Hunger der Privatsender und Sozialen Medien nach Drama, Empörung und Scheindebatten. Und an den enormen Geldmengen, die im US-Wahlkampf verpulvert werden. Viele Menschen haben zurecht genug von einer solchen Politik. Dennoch verteidigt Ned O’ Gorman in seinem Buch „Politik für alle“ die Würde der Politik im Zeitalter ihrer Schande. Denn er hält Politik für die unabdingbare alltägliche Kunst, miteinander freiheitlich in Beziehung zu treten. Quelle: „Politik für alle“ von Ned O’ Gorman

Von Hans Klumbies