Bildung ist ein wichtiger Faktor für moralischen Fortschritt. Deutsche mit niedriger Bildung sind eher menschenfeindlich. Sie lehnen beispielsweise Muslime zu 24 Prozent oder Langzeitarbeitslose zu 55 Prozent ab. Bei Deutschen mit einem hohen Bildungsstand liegt dieser Anteil bei 8 und bei 35 Prozent. Philipp Hübl ergänzt: „Auch die Anfälligkeit für populistische Parteien befindet sich bei Deutschen mit niedriger und mittlerer Bildung über dem Durchschnitt, bei Hochgebildeten darunter.“ Der Bildungsstand hängt jedoch nicht unmittelbar von den emotionalen Dispositionen ab. Daher ist es naheliegend, dass man mit der Erziehung ein progressives Emotionsprofil erworben oder als Nebeneffekt emotionale Selbstkontrolle erlernt hat. Noch wahrscheinlicher ist, dass man eingesehen hat, dass Fairness und Mitgefühl vernünftig und allgemein geboten sind, weil man sie auch von anderen für sich selbst erwartet. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).
Die Zukunft ist weiblicher
Michele J. Gelfands Untersuchung zu den „strengen“ und den „lässigen“ Ländern hat gezeigt, dass religiöser Kollektivismus Kulturen nicht nur am moralischen, sondern auch am ökonomischen und gesellschaftlichen Fortschritt hindert. Im weltweiten Vergleich schneiden zum Beispiel mehrheitlich muslimische Länder in fast allen Indizes schlecht ab. Nämlich bei Gesundheit, Bildung, Lebenszufriedenheit, Meinungsfreiheit und Demokratie. Doch auch hier deutet sich ein Wandel an, wie eine Untersuchung von über 100.000 Muslimen aus 83 Ländern von Australien bis Saudi-Arabien zeigt.
Je höher der Bildungsgrad und je verbreiteter die Berufstätigkeit der muslimischen Frauen in den untersuchten Regionen ist, desto mehr treten patriarchale Werte auch bei den Männern in den Hintergrund. Und damit schiebt sich die Gleichberechtigung in den Vordergrund. Philipp Hübl weiß: „Auch für den Islam gilt: Die Zukunft ist weiblicher – und damit fürsorglicher, fairer und freier.“ Bildung ist für sich genommen allerdings nicht der entscheidende Faktor.
Rechtsradikale sind von Emotionen geleitet
Wer den Dreisatz beherrscht, über den Dreißigjährigen Krieg Bescheid weiß oder Johann Wolfgang von Goethe zitieren kann, ist noch nicht gegen impulsives Denken gefeit. Mit der richtigen Bildung kann man jedoch einen analytischen Denkstil trainieren. Während das intuitive Denken schnell, emotional und automatisch ist, fordert das analytische Denken aktive Aufmerksamkeit und ist daher langsam und anstrengend. Zweitgenanntes kann jedoch automatisierte Prozesse zügeln und sogar stoppen.
Philipp Hübl stellt fest: „Menschen unterscheiden sich allerdings auch darin, wie stark sie in ihrem Leben klares Denken betonen. Untersuchungen zeigen: Progressive haben eher einen analytischen, Traditionalisten eher einen intuitiven Denkstil.“ Anhand der Denkstile kann man die politischen Ausrichtungen sogar besser vorhersagen als anhand von Auffassungen über Wirtschaftspolitik, die man traditionell für die Zuordnung der Lager heranzieht. Besonders Rechtsradikale und andere Extremisten sind mehr von Emotionen geleitet und verlassen sich weniger auf Statistiken. Quelle: „Die aufgeregte Gesellschaft“ von Philipp Hübl
Von Hans Klumbies