Vertrauen gewährt eine anerkannte Freiheit

Die Moralphilosophin Annette Baier hat einmal bündig definiert, Freiheit heiße, mit Hilfe des anderen auf sich selbst gestellt oder unbewacht sein zu können. Als Freiheitsdefinition wäre das wohl zu heikel. Denn klar ist, dass der, dem man Vertrauen schenkt, nur frei ist, weil man es ihm schenkt. Martin Hartmann fügt hinzu: „Ich könnte überwachen oder kontrollieren, aber ich tue es nicht.“ Stärkere Freiheitsbegriffe hätten mit diesem „könnte“ Probleme. Es schwebt in ihren Augen gleichsam wie ein Damoklesschwert über den Spielräumen, die man durch das Vertrauen anderer erhält. Wirklich frei wäre dann man erst, wenn anderen nicht einmal die Möglichkeit hätten, die persönlichen Spielräume einzuschränken. Etwa, weil sie es nicht dürfen oder weil sie kein Recht dazu haben. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

Martin Hartmann unterscheidet Vertrauen von Sich-verlassen-auf

Aber das ist eben nicht Vertrauen. Durch Vertrauen gewährte Freiheit ist eine zugestandene Freiheit, eine anerkannte Freiheit, eine Freiheit, die durch Vertrauen bewirkt wird. Bürokratische Verlässlichkeit gewährleistet dagegen nicht diese Art von Freiheit. Wenn Bürokratien verlässlich funktionieren und ihren geregelten Handlungsradius nicht überschreiten, ergeben sich Freiheitsräume, die jenseits der Bürokratie liegen. Akte des Vertrauens gewährleisten eine Freiheit durch und mit Vertrauen, aber sich nicht jenseits des Vertrauens.

Martin Hartmann schlägt vor, Vertrauen und Sich-verlassen-auf zu unterscheiden. Er räumt aber ein, dass es im Rahmen von verlässlichen Beziehungen zu Situationen kommen kann, in denen Verlässlichkeit selbst zum Gegenstand von Vertrauen wird. Die These, dass Vertrauen sich damit zur generellen Grundhaltung etabliert, bestreitet Martin Hartmann aber: „Wir wollen gegenüber Bürokratien nicht in gleicher Weise verletzbar sein wie gegenüber Freunden oder Bekannten.“ Aber es gibt eben Situationen, in denen unklar ist, was die Regeln vorschreiben.

Es gibt eine sogenannte Basismoral

Martin Hartmann denkt, dass Vertrauen im Bereich regelhaften Verhaltens nur dann relevant ist, wenn man die Personen mit denen man zu tun hat, durch direkte oder indirekte Bekanntschaft kennt. Woher weiß man, dass jemand vertrauenswürdig ist? Diese Frage lässt sich relativ leicht beantworten, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die einem nahe sind, die man gut kennt oder denen man schon oft begegnet ist. Wenn man dagegen mit Fremden zu tun hat, weiß man in der Regel wenig über sie.

Wenn man nun sagt, dass man nur denen wirklich vertraut, die moralische Motive haben, dann müssen man ja irgendwie in Erfahrung bringen, ob diese Motive vorliegen oder nicht. Man vertraut, unter ganz bestimmten Umständen, auf die Präsenz einer Basismoral, solange man keine gegenteilige Evidenz hat. Wäre es anders, bräuchte man also andauernd positive Hinweise auf die Vertrauenswürdigkeit einer Person. Dann könnte man allerdings nur sehr wenigen Menschen vertrauen. Quelle: „Vertrauen“ von Martin Hartmann

Von Hans Klumbies