Glück ist eine Lebensberufung

Einschlägige Ratgeber, therapeutische Anweisungen, esoterische Verheißungen machen heutzutage Propaganda für das Glück. Wer genauer hinschaut, erkennt bald, dass es darin meist gar nicht um Glück, sondern um Zufriedenheit geht. Es geht dabei um den Menschen, den man mit einer erneuerbaren, im eigenen Seelenkraftwerk hergestellten Energie ausstattet. Karl-Markus Gauß erklärt: „Gelehrt wird eine besondere Technik der Selbstregulierung, die vor extremen Stimmungen schützt und dem fleißig Lernenden vermittelt, wie er mit sich, den anderen, dem Gegebenen auskommen könne, und dies ein ganz zufriedenes Leben lang.“ Dagegen spricht auch nichts, außer das Glück etwas anderes ist, nämlich eine Lebensberufung. Karl-Markus Gauß lebt als Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ in Salzburg. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet.

Zum guten Leben gehören Arbeit und Muße

An der Lebensberufung zweifelt man nicht und man vergisst sie auch nicht. Aber man darf sie auch nicht mit dem stumpfen Behagen der Zufriedenheit verwechseln. Karl-Markus Gauß möchte nicht gegen ein verweichlichtes Streben nach Zufriedenheit einen Heroismus des Glücks ausrufen. Aber statt sich mit der Zufriedenheit zufriedenzugeben, gilt es doch, den Anspruch auf Glück selbst in glücklosen Zeiten aufrechtzuerhalten. Die Zufriedenheit verspricht, dass einer mit sich keine Scherereien haben und mit den anderen zu einem erträglichen Ausgleich finden werde.

Die Zufriedenheit ist für Karl-Markus Gauß eine fast schon staatsbürgerliche Art von Wohlbefinden. Das Glück hingegen ist kein solches Beruhigungsmittel, sondern: „Das Glück hat eine dürre nervige Cousine, den Spaß, und einen behäbigen selbstgefälligen Vetter, die Zufriedenheit.“ Wer das gute Leben theoretisch entwerfen will, muss zwei Vorbedingungen beachten, ohne die es praktisch nicht umzusetzen ist. Nämlich sinnvolle Tätigkeit und freie Zeit – also Arbeit und Muße.

Eine Welt ohne Fehler gibt es nicht

Ein empathischer junger Ingenieur hält einen Vortrag über die glücklich roboterisierte Welt von morgen. Es wäre gewiss angenehm, wenn Roboter den Menschen die schwere körperliche Arbeit abnähmen und dabei von anderen Robotern überwacht würden, die deren Fehler erkennen und korrigieren. Wie der Techniker redet und redet, gewinnt Karl-Markus Gauß den Eindruck, er träume von einer Welt ohne Menschen, weil es sie eine Welt ohne Fehler wäre.

Er spricht die Zuhörer ins Delir. So grandiose Verbesserungen der verbesserten Roboter schweben ihm vor, in einer sich selbst verbessernden Welt. Eine Welt ohne Tragik und Schmerz. Denn dies waren ja Störungen, die den fehleranfälligen Menschen charakterisierten, gegen die ein Programm der permanenten Selbstkorrektur die Roboter immunisieren wird. Das menschliche Virus der Fehlbarkeit wird sich in der Welt der Roboter nicht mehr ausbreiten können. Quelle: „Die Jahreszeiten der Ewigkeit“ von Karl-Markus Gauß

Von Hans Klumbies