Die Bedeutung der Mythen ist bis heute nicht geklärt

Sigmund Freud war der Überzeugung, alle Mythen der Welt bärgen in sich den Gemeinschlüssel zum Verständnis der menschlichen „psychosexuellen Entwicklung“. Dazu zählte er auch die biblische Erzählung von Adam und Eva. Dagegen vertrat Gustav Jung die These, Mythen seinen nichts weniger als die destillierte Essenz des „kollektiven Unbewussten“ der Menschheit. Und für Claude Lévi-Strauss bildeten die gesamten Mythologien der Welt zusammengenommen ein großes und unübersichtliches Rätselbild. Dieses würde die „Tiefenstrukturen“ der menschlichen Psyche offenbaren, wenn es sich richtig entschlüsseln ließe. Die Bedeutung der Mythen und Mythologien ist bis heute nicht vollständig geklärt. Aber James Suzman weiß: „Ganz sicher offenbaren sie uns jedoch Einsichten in einige universelle Aspekte der menschlichen Erfahrung.“ James Suzman ist Sozialanthropologe und Autor des Buches „Wohlstand ohne Überfluss“, in dem er die Gesellschaften der Jäger und Sammler als erste Wohlstandsgesellschaften porträtierte.

Chaos und Ordnung prägen viele Mythen

Eine Erkenntnis ist die Vorstellung, dass die Welt ein Spielball chaotischer Kräfte war und bleiben wird. Die Menschen müssen folglich etwas dafür tun, diese Gewalten in Schach zu halten. Es ist kein Zufall, dass der Gegensatz zwischen Chaos und Ordnung in vielen Mythologien der Welt eine große Rolle spielt. Immerhin postuliert auch die Naturwissenschaft eine universelle Beziehung zwischen Unordnung und Arbeit. Erstmals wurde sie in der aufregenden Epoche der Aufklärung in Westeuropa formuliert.

Der französische Mathematiker und Physiker Gaspard-Gustave Coriolis (1792 – 1843) gehörte zu der Avantgarde derjenigen, die der theologischen Dogmatik den Rücken kehrten. Sie setzten stattdessen auf Vernunft und Verstand, auf die Erklärungsmacht der Mathematik und auf die Stringenz naturwissenschaftlicher Methoden. Damit wollten sie hinter die Geheimnisse der Welt kommen und läuteten im Gefolge dieser Umwälzung des Denkens damit gleichzeitig das industrielle Zeitalter ein.

Gaspard-Gustave Coriolis führt den Begriff „Arbeit“ ein

Gaspard-Gustave Coriolis war zudem derjenige, der den Begriff „Arbeit“ ins Lexikon der modernen Naturwissenschaften einführte. Es handelt sich dabei um die Kraft, die erforderlich ist, um einen Gegenstand so zu beschleunigen, dass er eine bestimmte Strecke zurücklegt. Die ersten wirtschaftlich arbeitenden Dampfmaschinen waren erst ein paar Jahre zuvor entwickelt worden. Sie zeigten, dass Feuer sehr viel mehr leisten konnte, als nur Fleisch zu braten und in einem Schmiedeofen Eisen zu schmelzen.

Es lag aber kein befriedigendes Maß für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen vor, die Europas industrielle Revolution antrieben. Gaspard-Gustave Coriolis wollte die Leistungsfähigkeit von Wasserrädern, Zugpferden, Dampfmaschinen und arbeitenden Menschen möglichst exakt beschreiben, messen und vergleichbar machen. Die von ihm vorgelegten Gleichungen fanden rasch Anklang bei seinen Forscherkollegen, doch was sie am meisten beeindruckte, war seine Terminologie. Quelle: „Sie nannten es Arbeit“ von James Suzman

Von Hans Klumbies