Der Liberalismus ist weltweit stark gefährdet

In seinem neuen Buch „Der Liberalismus und seine Feinde“ benennt Francis Fukuyama die Probleme der Gegenwart und wie sich eine liberale Gesellschaft dazu verhalten muss. Seine Fragen sind so aktuell wie nie: „Warum haben sich so viele Menschen von der Demokratie und Freiheit entfernt? Und wie machen wir den Liberalismus endlich wieder attraktiv und stark?“ Mit seinem Werk will der Autor eine Verteidigung des klassischen Liberalismus vorlegen, denn er vertritt die These, dass dieser heute überall auf der Welt stark gefährdet ist. Früher mochte man ihn für selbstverständlich halten. Doch heute müssen seine Tugenden aufs Neue klar dargelegt und hervorgehoben werden. Mit „Liberalismus“ bezieht sich Francis Fukuyama auf die Lehre, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erstmals in Erscheinung trat. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart.

Selbst ein Liberalismus mit Mängeln ist illiberalen Alternativen immer überlegen

Es ist offenkundig, dass sich der Liberalismus seit mehreren Jahren auf dem Rückzug befindet. In den etablierten liberalen Demokratien sind es vor allem die liberalen Institutionen, die unmittelbar angegriffen werden. Nicht nur rechtsgerichtete Populisten forderten in jüngster Zeit den Liberalismus heraus, sondern auch die wiederauflebenden progressiven Linken. Sie sind vor allem unglücklich über die Art und Weise, wie sich der Liberalismus im Verlauf der letzten Generationen verändert hat. Denn seit den späten 1970er Jahren entwickelte sich der ökonomische Liberalismus zu etwas, das man heute als Neoliberalismus bezeichnet.

Der Neoliberalismus verstärkte die ökonomische Ungleichheit und brachte verheerende Finanzkrisen hervor. Die Bedrohungen des Liberalismus sind nicht symmetrisch. Die von den Rechten ausgehende Gefahr wirkt unmittelbarer und ist politischer Natur. Die von den Linken kommende Gefährdung ist hauptsächlich kultureller Art und wirkt daher langsamer. Es ist nicht Francis Fukuyamas Absicht, mit diesem Buch eine Geschichte der liberalen Idee vorzulegen. Dabei ist es ihm ein Anliegen zu zeigen, dass auch ein Liberalismus mit Mängeln illiberalen Alternativen immer weit überlegen sein wird.

Liberale Gesellschaften akzeptieren die Privatsphäre

Francis Fukuyama erklärt: „Damit eine moderne liberale Demokratie richtig funktioniert, muss es ein hohes Maß an Vertrauen in den Staat geben. Kein blindes Vertrauen, aber eines, das auf der Erkenntnis beruht, dass der Staat entscheidend wichtigen öffentlichen Zwecken dient.“ Liberale Staaten waren bislang sehr erfolgreich darin, langanhaltendes Wirtschaftswachstum sicherzustellen. Aber das gesamtwirtschaftliche Wachstum darf nicht als einziges Erfolgskriterium gelten.

Liberale Gesellschaften müssen eine Privatsphäre akzeptieren, die jedes Individuum umgibt. Privatheit ist eine notwendige Bedingung, die demokratische Beratung und Kompromiss fördert. Und sie ist erforderlich, weil man sonst nicht erwarten kann, dass ein Bürger seine tatsächliche Meinung offen und ehrlich zum Ausdruck bringt. Francis Fukuyama weiß: „Das Bewusstsein für Mäßigung wiederherzustellen, sowohl für uns als Einzelne wie auch als Gemeinschaft, ist daher der Schlüssel für die Wiederbelegung – und in der Tat für das Überleben – des Liberalismus.

Der Liberalismus und seine Feinde
Francis Fukuyama
Verlag: Hoffmann und Campe
Gebundene Ausgabe: 220 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-455-01493-8, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies