Liebe berührt eine Person im Innersten

Liebe ist ein wichtiger Teil der Intimität eines Menschen. Das, was eine Person im Innersten berührt, was sie im Innersten mit sich selbst und dem oder der Geliebten auszuhandeln haben, entzieht sich der öffentlichen Welt von Arbeit und Unterhaltung. Obwohl Intimität nicht schon mit dem Privaten übereinstimmt, möchte Peter Trawny zunächst einräumen, dass alles, „was unsere Liebe betrifft, unter uns bleibt“. Hannah Arendt hat das vielfach behauptet. Die „Eigenschaften des Herzens“ bedürfen der „Dunkelheit und des Schutzes gegen das Licht der Öffentlichkeit.“ Nur so können sie sich entfalten und bleiben was sie sind. Nämlich die innersten, verborgenen Antriebe, die sich zur öffentlichen Schaustellung nicht eignen. Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

Die Kraft der Liebe kann sogar zerstörerisch sein

Hannah Arendt denkt war keineswegs in erster Linie an die Liebe, sondern an Leidenschaften. Diese setzen Politiker zuweilen rhetorisch ein, um ihre Anhänger zu überzeugen. Doch vermutlich würde sie das auch in Bezug auf die Liebe sagen. Über sie schreibt sie in ihrem „Denktagebuch“, dass sie im Grunde „wertlos“ sein. Zwar sei sie eine „universale Macht des Lebens“, doch zugleich ein „Leben ohne Welt“, ja sogar „das Welt zerstörende Prinzip“.

Peter Trawny erklärt: „Das liegt daran, dass in der intimen Liebe die Moral und die öffentlichen Sitten nicht gelten. Die Intimität ist a-moralisch und unpolitisch.“ Wer liebt, verspürt nicht den Anspruch, diese Liebe öffentlich zu begründen. Hannah Arendt geht so weit, dass sie die Kraft der Liebe sogar als zerstörerisch bezeichnet. Dabei bezieht sie sich auf Dichtungen und Erzählungen aus der Antike. In denen geht es darum, wie eine Liebe politische Gemeinwesen unterminiert.

Die Liebe scheint in der gelebten Identität zu verschwinden

Fing nicht sogar dieser ungeheurere Krieg um Troja mit dem Raub einer Frau, der Helena, an? So gesehen ist die Liebe nichts, was in öffentlichen Diskussionen zu Debatte gestellt werden könnte. Die Liebe und ihr Charakter scheinen in einer gelebten Intimität zu verschwinden, von der die Paare nichts preisgeben. In ihrer Praxis des Sich-Treffens und Sich-Verlassens soll die Liebe unkommunizierbar sein. Jedenfalls gilt, dass Gründe für und gegen eine Liebesbeziehung nicht zu besprechen sind.

Geht eine Ehe in die Brüche, zieht sich das Umfeld auf den Standpunkt zurück, dass das Scheitern ungefähr so geschieht wie eine Naturkatastrophe. Daran sei nichts zu ändern, selbst wenn die Geschichte des Paares bekannt ist… Dazu ist vieles zu sagen. Peter Trawny betont: „Psychotherapeuten helfen den Scheiternden und stellen sie wieder her, dass sie weiterhin Liebeslust erfahren können. Die Liebesgeschichte wird zu einer schon etwas deutlicheren Krankengeschichte.“ Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies