Die menschliche Expansion wirkt zerstörerisch

An einigen Orten auf der Welt ist die zerstörerische Kraft der menschlichen Expansion besonders augenfällig geworden. Als Beispiel nennen Dirk Steffens und Fritz Habekuss Neuseeland. Dort hat sich das Leben einige Millionen Jahre lang weitgehend getrennt vom Rest der Welt entwickelt. Abgesehen von einigen Fledermausarten hat die Evolution auf den abgelegenen Inseln keine Säugetiere hervorgebracht. Dafür aber eine besonders artenreiche Vogelwelt. Die ist inzwischen allerdings arg geschrumpft. Neuseeland war die letzte große Landmasse, die besiedelt wurde. Wahrscheinlich erst vor 800 Jahren erreichten polynesische Kanus die bis dahin unbekannte Küste. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

Etwa 40 Prozent der Vögel Neuseelands sind ausgestorben

Vielleicht nur ein paar Dutzend Siedler nahmen die neue Welt in Besitz – und veränderten sie schlagartig. Die Tiere Neuseelands waren leichte Beute. Sie kannten keine Menschen und hatten deshalb auch keine Angst vor ihnen. Schon wenige Jahrzehnte nach Ankunft der ersten Polynesier waren die Riesenmoas, bis zu zwei Meter große Laufvögel, so gut wie ausgerottet. Wenig später waren allen neun Moa-Arten verschwunden. Nach ihnen starb der Haasadler, der größte Greifvogel auf Erden.

Dirk Steffens und Fritz Habekuss stellen fest: „Dutzende, vielleicht Hunderte weitere Arten erlitten das gleiche Schicksal. Die Knochen früher Maori zeigen oft Anzeichen von Gicht, ein Indiz für übermäßigen Fleischkonsum.“ Auf ihren Kanus hatten die Siedler außerdem Pazifische Ratten als lebendigen Proviant dabei. Ein paar verwilderten und fraßen Vogeleier aus den Nestern der Laufvögel. Inzwischen sind etwa 40 Prozent der in Neuseeland endemischen, sprich ausschließlich dort heimischen Vogelarten vernichtet.

Der Mensch ist ein ökologischer Massenmörder

Wann immer Homo sapiens einen neuen Lebensraum erreicht, beginnt er umgehend einen Vernichtungsfeldzug. Einen Blitzkrieg gegen die Natur. Der Historiker Yuval Noah Harari nennt den Menschen deshalb „die größte und zerstörerischste Kraft, die das Tierreich je hervorgebracht hat“, einen „ökologischen Massenmörder“. Was jagdbar ist, muss sterben. Naturvölker, die sich ohne Zwang bescheiden und nachhaltig in den Kreis des Lebens einfügen, ohne die Umwelt zu schädigen, gehören ins Reich der Märchen.

Eben weil der Mensch ein Teil der Natur ist, verhält er sich auch nicht anders als ein Fuchs im Hühnerstall. Er nimmt, was er kriegen kann. Die Kultur der Maori schlitterte schon einige Jahrzehnte nach der Ankunft in Neuseeland in eine ernste Krise. Dirk Steffens und Fritz Habekuss erklären: „Die Folgen: Nahrungsmangel, Verteilungskriege, Brandrodung, möglicherweise sogar Kannibalismus.“ Erst nachdem sie nachhaltigere Methoden der Ernährung, neue Landwirtschaftsformen und schonendere Jagdtechniken entwickelt hatten, konnten die Maori ihr Überleben sichern. Quelle: „Überleben“ von Dirk Steffens und Fritz Habekuss

Von Hans Klumbies