Die Versöhnung zwischen Islam und Kapitalismus

Der amerikanische Politologe Vali Nasr lehnt den strikten Konfrontationskurs des Westens gegenüber der muslimischen Welt strikt ab. Auch von den ständigen Appellen an die Muslime, sich zu ändern, hält er nichts. Der einzige Weg zu einer Annäherung, führt seiner Meinung nach über die Wirtschaft. Die westliche Staatengemeinschaft muss es den Muslimen erleichtern, von der globalen Ökonomie zu profitieren. Der Wissenschaftler glaubt, dass eine verbesserte wirtschaftliche Lage der Muslime zu einer Veränderung der Werte und Haltungen im Islam führen wird.

Vali Nasr: „Der Extremismus wird von innen besiegt werden“

Für Vali Nasr geht es bei der Beziehung zwischen dem Westen und dem Islam nicht um eine Frage der Toleranz, sondern darum, wie Muslime und die westlichen Nationen gemeinsame Werte entwickeln können. Seiner Meinung nach kann das nur der Kapitalismus zustande bringen, also die Ausweitung der Märkte, sprich die Globalisierung. Vali Nasr sagt: „Toleranz ist eine moralische Kategorie, gemeinsame wirtschaftliche Interessen aber schaffen Bande, die weit darüber hinausgehen.“

Der religiöse Extremismus ist für Vali Nasr nach wie vor ein erstes Problem, das nicht verharmlost werden darf. In Teilen der islamischen Welt werde er bis auf weiteres eine dominierende Kraft bleiben. Allerdings nur eine Bewegung an der Seite von anderen. Der Politologe wirft den westlichen Medien vor, sich zu sehr auf den Extremismus zu konzentrieren. Vali Nasr behauptet: „Wir im Westen werden den Extremismus bestimmt nicht besiegen, indem wir den Muslimen Lektionen erteilen. Er wird von innen besiegt werden – von dem Teil der Gesellschaft, der weiß, dass der Dschihad dem Geschäft schadet.“

Vali Nasr: „Die großen Reformer des Islam werden Unternehmer sein“

Ein ganz großes Problem sieht Vali Nasr darin, dass in einem großen Teil der islamischen Welt bis heute der Dschihadismus und der Kapitalismus noch immer im Clinch liegen. Und dort, wo die Ökonomie am schwächsten ausgebildet ist – in Somalia, in Afghanistan, im Jemen und in Pakistan, haben die Extremisten den größten Zulauf. Diese Länder brauchen die Hilfe des Westens, beispielsweise beim Aufbau der Infrastruktur oder bei den Grundlagen der Wirtschaft.

Vali Nasr glaubt zu wissen, wer den Islam reformieren wird: „Der große Reformer wird kein aufgeklärter Geistlicher sein. Es wird auch kein Intellektueller sein, der dem Westen gefällt. Es werden Geschäftsleute, Unternehmer sein, die ihrerseits die richtigen Denker unterstützen – so wie türkische, asiatische, arabische Unternehmer heute schon Prediger subventionieren, die eine für sie bequeme Religion vertreten.“

Kurzbiographie: Vali Nasr

Der 49 Jahre alte Vali Nasr stammt aus Teheran und zählt zu den führenden Islam-experten der Gegenwart. In seinem neuesten Buch mit dem Titel „Forces of Fortune“ beschreibt er das Aufblühen einer neuen muslimischen Mittelschicht. Im Januar des vergangenen Jahres ernannte ihn der Sonderbotschafter der USA, Richard Holbrooke, zu seinem Chefberater.

Von Hans Klumbies