Das Erbe der Postmoderne ist so reich wie unverstanden

Daniel-Pascal Zorn vertritt in seinem neuen Buch „Die Krise des Absoluten“, dass das Erbe der Postmoderne so reich wie unverstanden ist. Ihre eindringliche Botschaft lautet: Wenn die Welt einseitig zu werden droht, muss man die Vielfalt verteidigen. Der Autor erzählt auf seiner Expedition durch die Geschichte der Postmoderne vom Ringen mit dem Absoluten und von der Entstehung der aktuellen Moderne. Er entfaltet dabei ein Panorama des verlorenen Denkens, das die Menschheit gerade jetzt am nötigsten hätte. Die Postmoderne, so wie sie Daniel-Pascal Zorn versteht, ist kein Sammelbegriff für irgendwelche durchgeknallten französischen Philosophen. Und sie ist auch kein Werturteil über den allgemeinen Sittenverfall. Daniel-Pascal Zorn studierte Philosophie, Geschichte und Komparatistik. Seit 2021 ist er Geschäftsführer des Zentrums für Prinzipienforschung an der Bergischen Universität Wuppertal.

Eine Geschichte der Postmoderne ist verbunden mit der französischen Philosophie

Die Postmoderne bezeichnet laut Daniel-Pascal Zorn einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren, der um etwa 1950 begann und circa 1980 endete. In denen verbinden sich die Reste des alten europäischen Denkens mit den Tendenzen der nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstandenen gesellschaftlichen und theoretischen Entwicklungen. In dem, was sie eigentlich auszeichnet, scheitert sie aber. Sie geht unter, weil ihre Bedingungen immer noch diejenigen einer früheren Zeit sind, die zugleich mit ihr zugrunde geht.

Die Geschichte der Postmoderne gibt es nicht. Eine Geschichte der Postmoderne, die sicherlich bekannteste, ist verbunden mit Michel Foucault und Jacques Derrida, den beiden großen Philosophen der französischen Philosophie der 1960er und 1970er Jahre. Zu den großen Denkern der Zeit zählen auch Jean-François Lyotard, der 1979 „Das postmoderne Wissen“ geschrieben hat und Richard Rorty, der den Begriff „Postmoderne“ oder „postmodern“ zu verschiedenen Gelegenheiten diskutiert hat.

Die Postmoderne will dem Absoluten entkommen

Die Krise des Absoluten startet immer wieder neu, mit jeder Figur, in die sich das Absolute zurückzieht. Sie ist gegenwärtig in Hegels Frage, wie eine Ordnung aussehen muss. Sie arbeitet in Kierkegaards Fuchsbau der Innerlichkeit und schafft immer neue Wege, auf denen die sich selbst immer radikaler verstehende Existenz des Menschen den einfachen Lösungen ausweicht. Und am Ende findet sie doch nur dort für einen Moment Versöhnung, wo Innen und Außen den Atem anhalten.

Die philosophische Postmoderne ist einfach Philosophie. Daniel-Pascal Zorn erklärt: „Sie ist die Reflexion der Moderne, das Ausloten ihrer Tiefen und Untiefen, der Versuch, dem Absoluten zu entkommen.“ In dieser Hinsicht ist sie gescheitert. Denn die Frage nach der postmodernen Erzählung bleibt offen. Sie ist nicht dadurch beantwortet, dass man auf „Absolutes“ einfach „Pluralität“ antwortet. Die Postmoderne ist also keine Lösung für ein Problem, sie ist das Symptom eines Übergangs, der Ausdruck einer Krise.

Die Krise des Absoluten
Was die Postmoderne hätte sein können
Daniel-Pascal Zorn
Verlag: Klett-Cotta
Gebundene Ausgabe: 647 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-608-98349-4, 38,00 Euro

Von Hans Klumbies