Einen günstigen Augenblick darf man nicht verstreihen lassen

Wer einen günstigen Augenblick einer Entscheidung ungenützt verstreichen lässt, wird dies später möglicherweise bitte bereuen. Wenn die Gelegenheit vorbei ist, kann man sie nicht mehr fassen. Vor allem das heutige Management besteht in der Regel aus Unterbrechungen und Krisen. Andreas Salcher erläutert: „Das lässt einfach immer weniger Zeit für behutsames Abwarten und kluges Abwägen. In diesem Zustand des permanenten Entscheidungsdrucks leben nicht nur Spitzenmanager.“ Ständig entscheiden zu müssen, ist für die meisten Menschen zur Belastung geworden, ganz unabhängig von der Bedeutung der Entscheidung. Das Vergleichen und Bewerten der scheinbar unendlichen Möglichkeiten der Gegenwart kann ganz schön erschöpfend sein. Dr. Andreas Salcher ist Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule und initiierte die Waldzell Meetings im Stift Melk. Er ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs. Sein aktuelles Buch heißt: „Erkenne dich selbst und erschrick nicht.“

Ausgeruht am Morgen treffen Menschen eher riskante Entscheidungen

Das Phänomen der Entscheidungsermüdung macht deutlich, wie sehr die Entschlossenheit der Menschen ab einem bestimmten Punkt abnimmt. Die meisten treffen eine riskante Entscheidung eher ausgeruht am Morgen, während sie später immer öfter die sichere Variante wählen, je länger der Tag dauert. Dieses irrationale Verhalten ist wissenschaftlich bewiesen. Andreas Salcher fügt hinzu: „Es zeigt, wie groß die Kluft zwischen den hohen Ansprüchen an die Qualität unserer Entscheidungen und unserem tatsächlichen Verhalten ist.“

Es gibt einige Qualitäten, die ein Mensch beherrschen sollte. Dazu zählt Andreas Salcher zur rechten Zeit am rechten Ort sein, die Zeichen der Zeit erkennen, die Gunst der Stunde nutzen, den rechten Augenblick erwischen, wissen, was die Stunde geschlagen hat, in Sekundenbruchteilen reagieren und einen langen Atem haben. Dies wird in einer immer schneller getakteten Gesellschaft den Menschen zumindest eingeredet. Dadurch entsteht allerdings eine Atmosphäre, die einen dazu verleitet im Zweifel eher schnell als richtig zu entscheiden oder in einem Zustand der Unfähigkeit zu einer Entscheidung zu verharren.

Vorsichtig abwarten oder entschieden handeln ist keine Frage des Charakters

Nicht immer ist es die Tragweite einer Entscheidung, die Menschen daran hindert, überlegt zu handeln. Andreas Salcher zitiert den großen Management-Denker Peter Drucker, der geraten hat, zwischen wichtigen und dringenden Dingen zu unterscheiden. Schenkt man nämlich dringenden Dingen zuviel Aufmerksamkeit, werden die wichtigen irgendwann dringend und man ist gezwungen, unter Druck zu entscheiden. Wenn man sich daher immer wieder zur Genauigkeit dieser Beurteilung zwingt, ist es möglich, Tugenden wie Warten können, Nachdenken und Zurückhaltung auch in rasanten Zeiten zu befolgen.

Vorsichtig abwarten oder entschieden handeln ist für Andreas Salcher keine Frage des Charakters und schon gar keine einfache Ja- oder Nein-Entscheidung. Es ist seiner Meinung nach eher vergleichbar mit der Kunst, mit mehreren Bällen zu jonglieren. Der Zustand der Verwirrung reißt Menschen ständig zwischen unterschiedlichen Gefühlen und Zielen hin und her. Mit Verwirrung meint Andreas Salcher hier die Unfähigkeit, ein Ziel genauer fokussieren zu können, weil es sich nach kurzer Zeit wieder auflöst und ein anderes auftaucht.

Von Hans Klumbies