Die toxische Männlichkeit vergiftet die Welt

Es gibt etwas am Mann, das die Welt vergiftet. Die amerikanische Gender-Theoretikerin Raewyn Connell prägte dafür den Begriff „Toxische Männlichkeit“. Damit charakterisiert sie bestimmte typische männliche Gewaltpraktiken. So tendiert der Mann dazu, sich allein durch seine körperliche Überlegenheit bei gleichzeitiger Abtötung von Gefühlen gegen Frauen und sich selbst gesellschaftlich durchzuboxen. Peter Trawny fügt hinzu: „Der Mann ist dann der Kampfhund einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Er vergiftet durch sein testosterongesteuertes Handeln das Zusammenleben – und offenbar auch die Umwelt.“ Obwohl dabei nicht alles am Mann „toxisch“ sein soll, sondern nur die Disposition zu seinem hegemonialen Verhalten. Dennoch scheint es zuweilen, als würden alle Dämme brechen und der Mann als solcher zum Gift zu mutieren. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Das Patriarchat dominierte die Weltgeschichte

Ein Blick auf die Geschichte scheint das zu bestätigen. Denn die Weltgeschichte war bis heute eine Geschichte des Patriarchats. Sämtliche Gewaltexzesse in Kriegen und andere Zerstörungen gehen auf das Konto des Mannes. Und ist es ein Zufall, dass die Identifikationspersonen im Umweltaktivismus weiblich sind? Wie sollte auch der Junge oder der Mann „Mutter Erde“ retten wollen. Er ist es doch vielmehr, der als Donald Trump oder Jair Bolsonaro alles nur noch schlimmer macht. Er vergewaltigt Mutter Erde und nimmt ihr jede Würde.

Auf den ersten Blick enthält die Metapher des Gifts für Peter Trawny etwas Überzeugendes. Denn sind nicht seit langem wirklich bestimmte männliche Individuen der Schlüssel zum Unheil? Dennoch muss sie zurückgewiesen werden. Zunächst irritiert die naturalisierende Perspektive. Sollte etwas im Mann „toxisch“ sein, dann gibt es determiniertes Verhalten. Der Mann kann gar nicht anders, als ein Weißrücken zu sein. Er muss das Alpha-Tier sein und auch noch das Omega-Tier dazu. Denn wer wäre sonst für den Weltuntergang verantwortlich?

Männer haben ein gebrochenes Verhältnis zu sich selbst

Darüber hinaus muss man sehen, dass eine gendertheoretisch besetzte Sicht einen historischen Charakter hat. Niemand hätte 1940 Adolf Hitler oder Josef Stalin mit „toxischer Männlichkeit“ in Verbindung gebracht. Da könnte man meinen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, die Welt wäre damals schon so aufgeklärt gewesen, wie sie es jetzt ist. Doch wer weiß, zu welchen Erkenntnissen die Gendertheorie noch kommen wird. Und welche man davon in zehn Jahren wieder vergessen hat.

Dennoch zeigt die Verbreitung des Begriffs, dass sich Frauen heutzutage ungebrochen in emanzipatorischen Projekten wiederfinden können. Für Männer hingegen ist es im Grunde unmöglich, ein ungebrochenes Verhältnis zu sich selbst zu haben. In der Tat ließe sich über diesen Riss in der Geschlechterdifferenz länger nachdenken. Hier die Frau: unwillig, an der Geschichte zu zerbrechen, dort der Mann, verstrickt in seine Gewalt. Hier der Mann, zu verstockt, um sich in seiner Ruinanz zu durchschauen. Dort die Frau, unfähig, sich in ihrer neuen Unabhängigkeit zu dekonstruieren. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies