Vier Tugenden führen zu einem guten Leben

Es ist immer gut, wenn man mit sich im Reinen, oder wie Aristoteles sagt, „befreundet“ ist. Denn dann kann man besser angemessen mit den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen der Welt umgehen. Und wie erlangt man Vortrefflichkeit? Richard David Precht antwortet: „Indem man nach Tugenden strebt, allen voran nach Gerechtigkeit, nach Weisheit, nach Tapferkeit und nach Mäßigung. Diese vier Leitsterne leuchten dem Menschen aus, was es heißt, ein gutes Leben zu führen.“ Und je stärker man sich an ihnen orientiert, umso mehr nimmt man sie in sich auf und modelliert damit seinen Charakter. Diese Vorstellung herrschte zumindest in der Antike vor. So weit, so persönlich und so individuell. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Ein erfülltes Leben kann man nur in der Gemeinschaft führen

Doch dabei bleibt es nicht. Denn den antiken Griechen fast jeder philosophischen Schulrichtung ist eines völlig bewusst. Dass nämlich ein soziales Wesen wie der Mensch ein erfülltes Leben nur in der Gemeinschaft führen kann. Ein vortrefflicher Mensch ist nicht nur gerecht, weise, tapfer und in seinen Affekten moduliert, er ist auch sozial kompetent. Cicero legt großen Wert darauf zu betonen, dass es gerade besonders begabten Menschen nicht zusteht, sich aus der Politik herauszuhalten.

Ihr Auftrag, vor allem in der stoischen Tradition, ist es, dem Gemeinwesen nach allen Kräften zu helfen. Richard David Precht stellt fest: „Moral ist Arbeit an sich selbst und damit zugleich Arbeit für andere.“ Wenn Cicero dabei von „moralis“ spricht, so meint er das Gleiche, was die antiken Griechen als „ethikos“ bezeichneten, nämlich „zum Charakter gehörend“. Für die Tugendethik bildet der Charakter eines Menschen sein Zentrum, das sich durch fortwährende Anstrengung mehr und mehr festigt.

Die Kardinaltugenden sind gut und richtig

Und wie das bei der Arbeit ist, insbesondere bei der Arbeit an sich selbst: Die einen tun es sorgfältig und gründlich mit wachsender Meisterschaft. Die anderen dagegen kultivieren ihren Charakter wenig, oberflächlich und schludrig. Sie legen sich zu wenig, zu selbstsüchtig oder zu blind und eitel Rechenschaft über die Motive ihres Handelns ab. Der Charakter verkommt dadurch mehr und mehr, und statt vortrefflich und damit glücklich zu werden, giftet man durch die Welt. Denn man ist erfüllt von Habgier, Eitelkeit, Neid und Hass.

Richard David Precht weiß: „Je mehr diese Eigenschaften die Kontrolle über das Handeln übernehmen, umso schlechter ist es um die „moralis“ bestellt. In diesem Punkt waren sich nahezu allen antiken Denker einig.“ Dass die Kardinaltugenden gut und richtig, die Charakterschwächen schlecht sind, darin besteht für sie kein Zweifel. Die Unterschiede betreffen lediglich das Ranking der Tugenden. Jedem Urteil, was moralisch richtig und angemessen ist, geht eine bestimmte Vorstellung voraus. Nämlich die, was es heißt, ein gutes Leben zu führen. Quelle: „Von der Pflicht“ von Richard David Precht

Von Hans Klumbies