Liberale Demokratien verfügen über eine dauerhafte Stärke

Die Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Impulse für 2024“ enthält ausgesuchte Essays und Gespräche zu den großen Fragen unserer Zeit. Die Rubrik „Eine neue Weltordnung“ beinhaltet ein Gespräch mit Francis Fukuyama über schwache Diktatoren, robuste Demokratien und die Gefahr der Spaltung. Der berühmte Politikwissenschaftler vertritt die Meinung, dass die liberalen Demokratien über eine dauerhafte Stärke verfügen, wohingegen autoritäre Regime Schwächen haben. Francis Fukuyama erläutert: „Sie haben das Problem, dass ein Alleinentscheider an der Spitze steht. Die Machtkonzentration führt zu Fehlentscheidungen, die katastrophal sein können.“ Der russische Überfall auf die Ukraine hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Die Bevölkerungen in liberalen Demokratien erkennen plötzlich, dass ihr Frieden und ihre Sicherheit nicht selbstverständlich sind. Für Francis Fukuyama ist der Zustand der liberalen Demokratien insgesamt dennoch nicht so schlecht.

Selbstverwirklichung kann bei ökologischen Fragen weiterhelfen

In der Rubrik „Naturverhältnis“ geht Jia Tolentino folgender Frage nach: „Wenn es darum geht, dass der Planet bewohnbar bleibt, welches ist dann das richtige Maß an Panik, und wie erträgt man es?“ Sie zitiert eine Passage aus Roy Scrantons Essay „Sterben lernen im Anthropozän“. Die Menschen sollten lernen, jeden Tag als den Tod dessen zu sehen, was vorher war. Anschließend können sie zu einem freien, furchtlosen Umgang mit allen Problemen der Gegenwart kommen, ohne am Alten festzuhalten.

In derselben Rubrik philosophiert Helen de Cruz angesichts der Klimakrise darüber, ob Selbstverwirklichung ein Ziel sein könnte. Das hört sich zunächst verfehlt an. Doch Philosophen von Baruch de Spinoza bis Arne Næss argumentieren, dass die Menschheit nur auf diesem Wege auch in ökologischen Fragen weiterkommt. Die Philosophin Helen de Cruz fasst ihre Erkenntnisse wie folgt zusammen: „Sobald wir die Selbstverwirklichung erreicht haben, wird es dank der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Tugend leicht, ein gutes Leben zu führen. Aufgrund unserer kollektiven Verleugnung der Klimakrise ist dies jedoch schwer zu erreichen.“

Die Juden fühlen sich schamlos im Stich gelassen

In der Rubrik „Die Frage nach der Technik“ behauptet die amerikanische Essayistin Meghan O´Gieblyn: „KI ist unser kollektives Unbewusstes.“ Die künstliche Intelligenz (KI) ist ihrer Meinung nach potenziell sehr gefährlich und kann massive Umbrüche bringen. Vor allem, weil niemand vollkommen begreift, wie sie funktioniert. Meghan O´Gieblyn sagt auch: „Es besteht allerdings kein Grund zu der Annahme, dass eine aus Silizium und statistischen Sprachmustern hervorgebrachte Intelligenz einer Intelligenz gleichen wird, die sich über Millionen von Jahren unter biologischen Bedingungen entwickelt hat.“

Den Abschluss der Sonderausgabe „Impulse für 2024“ des Philosophie Magazins bildet die Rubrik „Gesellschaft, Identität, Stil“. Die linksliberale Soziologin Eva Illouz glaubte, dass vor allem die Leute aus ihrem politischen Lager von den Gräueltaten der Hamas, dem Massaker vom 7. Oktober, abgestoßen wären. Stattdessen sehen sich die Juden in Israel und in der Welt schamlos im Stich gelassen. Eva Illouz ist fassungslos: „In Reaktionen rund um den Globus waren die Täter mit einem Schlag unschuldig an den Pogromen an jüdischem Leben – die toten Juden waren durch ihre Zugehörigkeit zu Israel für ihren eigenen Tod verantwortlich.“

Von Hans Klumbies