Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 06/2020 beschäftigt sich mit der neuen Arbeitswelt, die geprägt ist von Automatisierung, Homeoffice und Flexibilität. Wurde das Leben der meisten Menschen lange von der Arbeit beherrscht, scheint sich das Verhältnis langsam umzukehren. Mit dem Einzug der Arbeit ins eigene Heim löst sich die Grenze zwischen Arbeit und Leben auf. Vor allem in Start-ups, in den Medien und Digitalarbeit fallen die zeitlichen und räumlichen Grenzen der Erwerbsphäre weg. Dank dem Internet sollen die Arbeitnehmer immer und überall erreichbar sein. Während die Büros vie Homeoffice die eigene Wohnung heimsuchen, ähneln die Büros ihrerseits immer mehr Freizeitorten. Als Ideal gilt nicht mehr die sorgfältige Erfüllung einer vorgegebenen Aufgabe, sondern Kreativität. Insgesamt kommt es zur Aufwertung der Soft Skills.

Es gibt moralische Tatsachen

Die Rache gilt normalerweise als archaisch und böse. Und doch ist sie vielen Menschen, zumindest in der Fantasie, nicht fremd. Die Moderne hat sie laut dem Philosophen Fabian Bernhardt jedoch mit einem eigentümlichen Tabu belegt. Bei der Gegenwart handelt es sich scheinbar um eine Epoche, die für sich in Anspruch nimmt, die zügellosen Leidenschaften der Rache glücklich überwunden und durch die Vernunftherrschaft des Rechts ersetzt zu haben. Wo Rache war, da wurde Recht.

In einer komplexen Welt streiten sich Menschen ständig über moralisch richtiges Handeln. Der Philosoph Markus Gabriel behauptet im Interview mit dem Philosophie Magazin: „Es gibt moralische Tatsachen. Und es ist höchste Zeit, sich nach ihnen zu richten.“ In der moralischen Einsicht kommen sich die Pflicht (Vernunft) und die Neigung (Emotionen) nicht in die Quere. Seiner Meinung nach besteht die Dunkelheit der Gegenwart darin, dass diese offensichtlichen moralischen Tatsachen unter anderem durch Ideologie, Propaganda, Fake News und Selbsttäuschung verdeckt werden.

Das Buch des Monats heißt „Feuer der Freiheit“

Die Rubrik „Klassiker“ stellt diesmal den rumänischen Philosophen Cioran vor. Er gilt als abgründiger, stilbewusster Finsterling und radikaler Neinsager des 20. Jahrhunderts. Die Welt und die Menschen ekelten ihn an. Cioran wetterte gegen jedes Heilsversprechen, gegen jede Utopie, jede Systematik und seine eigenen Dämonen. Sein Leitgedanke lautet: „Das Leben ist sinnlos.“ Sein Werk könnte man als Antiphilosophie bezeichnen. Statt aus Erkenntnissen setzt sie sich aus Trümmern zusammen, aus Gedanken- und Empfindungssplittern.

Zum Buch des Monats hat das Philosophie Magazin diesmal die Publikation „Feuer der Freiheit“ gekürt. Geschrieben hat es der Philosoph Wolfram Eilenberger. Mit Simone de Beauvoir, Simone Weil, Hannah Arendt und Ayn Rand erkundet der Autor, was es heißt, philosophisch zu leben und zu arbeiten. „Nur Gimpel oder Ideologen halten Konsens für ein Ziel des Denkens“, schreibt Wolfram Eilenberger. Wie Denken wirkt, weiterwirkt und sich in der Übernahme verwandelt, beschreibt der Autor auf wunderbare Weise.

Von Hans Klumbies