Es gibt keine Grenze zwischen dem Mensch und der Natur

Fast jeder sagt von sich, ein Naturliebhaber zu sein. Warum sind dann aber so viele Menschen in ihrer Beziehung zur Natur so tief verunsichert, dass sie ihren eigenen Gefühlen nicht trauen? Dirk Steffens und Fritz Habekuss antworten: „Solche Fragen definieren das Verhältnis zwischen uns und der Natur. Deshalb sind sie nützlich für die Diskussion um das Artensterben und den Verlust der Biodiversität.“ Es beginnt schon mit der Frage, warum man überhaupt eine Grenze zieht, wo ja in Wahrheit gar keine ist. Schließlich sind die Menschen ein Teil der belebten Welt. Sie existieren in und nicht neben ihr. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

Die Natur braucht keinen menschlichen Schutz

Der Denkfehler fängt laut Dirk Steffens und Fritz Habekuss bereits dort an, wo die Menschen Naturschutz sagen und glauben, die Natur bräuchte menschlichen Schutz. Tut sie nämlich nicht. Nach dem Massensterben wie dem Verschwinden der Dinosaurier dauert es eben ein paar Millionen Jahre, aber dann ist die Artenvielfalt wieder so groß wie vorher. Auf der geologischen Zeitskala ist das keine Ewigkeit. Für einen nackten Affen mit gerade einmal 300.000 Jahren Geschichte schon.

Wenn jemand Schutz braucht, dann ist es der Mensch. Leben gibt es auf dem Eispanzer Grönlands und zehn Kilometer tief unter dem Meer. Tiere überdauern die Hitze der Sahara und die Stürme auf dem offenen Meer. Mikroben vermehren sich Hunderte Meter tief im Boden und werden quer über Kontinente durch die Luft getragen. Im Vergleich dazu ist die Zone, in der die Menschen existieren können, sehr viel schmaler. Was ist das also, die vielbeschworene Liebe zur Natur?

Der Mensch ist ein gedankenloser Naturzerstörer

Der Naturfilmer David Attenborough hat es sinngemäß so ausgedrückt: Wer beim Gesang einer Amsel etwas empfindet, weiß es schon. Und allen anderen kann man es nicht erklären. Noch nie war die Forschung so gut darin, präzise zu beschreiben, welche verheerenden Schäden der Mensch in der Biosphäre anrichtet. Zehntausende Fachartikel, Doktorarbeiten und andere wissenschaftliche Publikationen dokumentieren das Artensterben, die Klimakrise und die Vermüllung der Meere.

Außerdem beschreiben sie das Abschmelzen der Permafrostböden und den Bestandrückgang des Juchtenkäfers. Das ist ein Frontalangriff des Verstandes auf die gedankenlose Naturzerstörung. Leider hat dieser bisher nicht viel gebracht. Die Flut naturwissenschaftlicher Erkenntnisse hat nicht genügend Korallenriffe vor dem Ausbleichen geschützt. Sie konnte auch nicht die Brandrodung der Regenwälder oder Trockenlegung der Moore verhindern. Einfach nur möglichst nüchtern den Niedergang des Lebens zu beschreiben, führt offensichtlich nicht zu Verhaltensänderungen. Quelle: „Überleben“ von Dirk Steffens und Fritz Habekuss

Von Hans Klumbies