Der Menschheit droht der Untergang

Woher kommt dieser Größenwahn, der Mensch sei die Krone der Schöpfung und müsse die Natur beherrschen? Philipp Blom verfolgt in seinem neuen Buch „Die Unterwerfung“ die Geschichte einer Idee, die den Planeten Erde an den Rand des Abgrunds getrieben hat. Denn der Homo sapiens sieht sich als Mittelpunkt, als Maß als Herrscher der Natur. Und er glaubt tatsächlich, dass alle lebenden Kreaturen vor seiner unvergleichlichen Majestät in den Staub fallen. Dieses Menschenbild ergreift sich als erhaben über Tiere und andere Lebewesen, sieht die Natur als Kulisse seiner eigenen Ambitionen und als Rohstofflager. Gegliedert hat Philipp Blom sein Wert in drei große Abschnitte: Mythos, Logos und Kosmos. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford. Er lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Die Biodiversität droht zu kollabieren

Von dieser privilegierten Position macht er sich auf, die Welt ganz seinem Willen zu unterwerfen. Dieser Ehrgeiz ist von einem faustischen Irrsinn umflattert. Die Unterwerfung der Natur ist längst zu einer globalen Praxis geworden. Philipp Blom schreibt: „Diese Unterwerfung prägt den Weltzugang und das Selbstbild vieler Gesellschaften, die sich auf ein gemeinsames Erbe berufen.“ Aus ihrer Perspektive heraus stellt sich die Geschichte als eine Ausbreitung der Zivilisation und der Entfaltung des Fortschritts dar.

Dabei kommt es jedoch zu einer Missachtung der natürlichen Systeme und dem damit verbundenen Kollaps der Biodiversität. Das gezähmte und beherrschte Land, der unterworfene Planet zeigt sich überfordert von so viel willkürlicher und plötzlicher Manipulation. Die Menschheit muss sich darauf gefasst machen, dass auch die nächsten Stadien der Erderhitzung ähnlich ablaufen wie berechnet. Aber das Potenzial für Verdrängung, Leugnung und politische Instrumentalisierung ist so enorm, dass sich die bloße, nachvollziehbare und beobachtbare Wahrheit nicht durchsetzen kann.

Die Sprache des Okzident kann die Realität nicht mehr beschreiben

Die Menschheit hat der Natur buchstäblich den Krieg erklärt. In seinem Buch „Die Unterwerfung“ versucht Philipp Blom diesem Wahnsinn nachzugehen, von ihrer Geburt im Morgengrauen der dokumentierten Zivilisation bis hin zu ihrem Sterben im Zuge der Klimakatastrophe. Die Menschheit des 21. Jahrhunderts wird aus ihrer konzeptuellen Heimat, der Geschichte der Unterwerfung der Natur, vertrieben wie Adam und Eva aus dem Paradies.

Die Klimakatastrophe verändert die Wahrnehmung der natürlichen Welt und des menschlichen Verhältnisses zu ihr. Wie auch die Pandemie ist sie eine unwillkommene, aber auch eine unübersehbare Erinnerung daran, dass die Sprache des Okzidents und seiner Erben und Imitatoren nicht mehr geeignet ist, die Realität zu beschreiben. Und dieses Problem geht an die Wurzel der Sprache, weil es die Weltsicht negiert, die dieser Sprache zugrunde liegt. Denn die Wörter, die das menschliche Denken formen, sind immer noch theologisch aufgeladen, mit all dem kulturellen Ballast, den das beinhaltet.

Die Unterwerfung
Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur
Philipp Blom
Verlag: Hanser
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten, Auflage: 2022
ISBN: 978-3-446-27421-1, 28,00 Euro

Von Hans Klumbies