Die Natur reguliert und heilt sich selbst

Peter Wohlleben beschreibt in seinem neuen Buch „Der lange Atem der Bäume“, wie sich die Natur wunderbar selbst regulieren und heilen kann. Dies gelingt ihr aber nur, wenn die Menschen sie in Ruhe lassen. Bäume passen sich beispielsweise an ihre Umgebung an. Sie geben sogar ihre Erfahrungen mit veränderten Umweltbedingungen an ihren Nachwuchs weiter. Doch die Anpassungsfähigkeit hat ihre Grenzen. Laubbäume brauche gerade jetzt die intakte Gemeinschaft, um sich gegenseitig zu unterstützen. Sie kühlen sich durch Verdunstung und können sogar Regenwolken erzeugen. Doch all diese Fähigkeiten gehen durch massive Holzeinschläge verloren. Und die nicht heimischen Nadelbäume haben durch die zunehmende Trockenheit und Hitze ohnehin keine Zukunft mehr. Der Forstwirt Peter Wohlleben arbeitet in der von ihm gegründeten Waldakademie in der Eifel und setzt sich weltweit für die Rückkehr der Urwälder ein.

Jeder Baum ist ein eigenes Ökosystem

Das Schicksal der Wälder und das der Menschheit sind für Peter Wohlleben untrennbar miteinander verbunden. Bäume können die aktuellen Veränderungen im Klima vielfach gut verkraften. Zudem sind sie die beste Option, Treibhausgase wieder aus der Atmosphäre zu entfernen, viel besser, als jede Technik es je könnte. Zusätzlich kühlen sie das lokale Klima stark herab und erhöhen sogar die Regenmengen signifikant. All dies machen die Bäume übrigens nicht für die Menschen, sondern für sich selbst.

Jeder Baum ist ein eigenes Ökosystem, einem Planeten gleich, der von unzähligen wundersamen Lebewesen bevölkert ist. Sie sind Gestalter ihrer Umwelt und reagieren, wenn einmal etwas aus dem Ruder zu laufen droht. Um sich erfolgreich auf Veränderungen einstellen zu können, brauchen Bäume zwei Dinge. Erstens Zeit und zweitens Ruhe. Jeder Eingriff in den Wald wirft dieses Ökosystem zurück und hindert es daran, sich in einem neuen Gleichgewicht auszutarieren.

Vorsicht und Vorsorge können die Wälder retten

Ein einzelner Baum kann das Lokalklima direkt vor der eigenen Haustür beeinflussen. Peter Wohlleben findet das deswegen so beachtlich, weil die fatalistische Einstellung, dass einzelne Menschen ohnehin nichts ändern können, von jedem Gartenbaum widerlegt wird. Welcher Baum ist der geeignetste für den Garten oder das Straßengrün? Es sollte immer eine heimische Art sein, denn hier gilt das Gleiche wie für den Wald. Von Bäumen hängt die nachfolgende Nahrungskette ab, und von dieser wenigstens in Teilen auch wieder der Baum.

Um die Wälder zu retten bleiben der Menschheit nur die Prinzipien Vorsicht und Vorsorge. Das heißt, die Wälder möglichst nicht zu stark zu manipulieren und zu nutzen, sondern vielmehr die Kräfte fördern, die sie widerstandsfähig machen. Dabei ist es wichtig, dass man die Wälder unterstützt, sich selbst möglichst kühl und feucht zu erhalten. Die Forschung weiß inzwischen, dass Waldökosysteme im Grund komplexe Überorganismen sind. Diese sind dann gesünder, wenn sie über intakte Netzwerke zwischen allen Elementen verfügen.

Der lange Atem der Bäume
Wie Bäume lernen, mit dem Klimawandel umzugehen – und warum der Wald uns retten wird, wenn wir es zulassen
Peter Wohlleben
Verlag: Ludwig
Gebundene Ausgabe: 254 Seiten, Auflage: 2021
ISBN: 978-3-453-28094-6, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies