Gelassenheit fördert die Suche nach dem Sinn des Lebens

Gelassenheit ist die Fähigkeit, ausgeglichen die Menschen und die Welt zu beobachten, in Freiheit maßvoll zu entscheiden, in seinen Erwartungen und Hoffnungen hochgemut zu denken. Der Gelassene tritt bedacht und zeitbewusst in eine Welt, in der er auch einmal von sich selbst und allen Dingen lassen, eigene Interessen preisgeben, „ohne Warum“ denken und handeln kann. Paul Kirchhof weiß: „Diese Gelassenheit entzieht sich dem Sog des Alltäglichen, beantwortet Überfluss mit Askese, distanziert sich von medialem Lärm und von politischer Aufgeregtheit.“ Gelassenheit öffnet den Menschen für die Suche nach dem Sinn des Lebens. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

Gelassenheit verlangsamt den Rhythmus des Lebens

Gelassenheit lässt den Menschen sich selbst verstehen und den Mitmenschen mehr Verständnis entgegenbringen, schafft Distanz zum Leben und ermutigt zur Gegenwehr gegen dessen Gefahren – den feindlichen Angriff, das verletzende Wort, die berufliche Enttäuschung, die Zerstörung von Nähe, Freundschaft, Liebe. Diese Gelassenheit ist in der Geschichte von Religion und Askese oft Weltflucht, hat das Leben von Eremiten und Mönchen geprägt, wird so zum Zentralbegriff spätmittelalterlicher Frömmigkeit.

Heute ist die Gelassenheit eine Form der Seelenruhe, die der Mensch durch zeitweiligen Rückzug aus dem Alltag, aber auch in der Harmonie einer Gemeinschaft von Familie und Freunden gewinnt. Er verlangsamt den Rhythmus seines Lebens, denkt über dessen Ziel und Gefahren nach, sucht Ehrgeiz, Machthunger, Erwerbstrieb zu mäßigen. Dies gelingt ihm heute insbesondere in der Gemeinschaft mit anderen Menschen, die ihm im Denken und Werten nahestehen, die sich gegenseitig mit Sympathie begegnen, freundschaftlich an Glück und Erfolg, auch an Unglück und Unrecht des anderen teilnehmen.

Gelassenheit führt zu einem Leben in Harmonie

Paul Kirchhof schreibt: „Das Bewusstsein, beim anderen Verständnis und Anerkennung zu finden, in Not und Bedrängnis begleitet und ermutigt zu werden, in gemeinsamen Erfahrungen und Lebenssichten ähnliche Ziele zu verfolgen, gibt innere Ausgeglichenheit, Sicherheit in allgemeinen Maßstäben, Selbstbewusstsein und Entscheidungskraft.“ Diese „Ausgeglichenheit der Seele“, so sagt Seneca, bewahrt vor dem Charakterfehler, „keinen Gefallen an sich selbst zu haben“.

Gelassenheit schärft Maßstäbe und Urteilskraft bei den Grundsatzentscheidungen des Lebens, pflegt die Tugend der Herrschaft über sich selbst, begründet immer wieder auch ein Quäntchen Alltagsglück. Gelassenheit braucht einen Ort, der beruhigt, in dem der Mensch sich der ihm zugedachten inneren Freiheit widmet, sich vom Kampf um das Alltagsleben, um seinen Gesellschaftsstatus, um die gesicherte Zukunft löst. Er lebt in Harmonie oder vorübergehend aus der ihn umgebenden Gesellschaft aus. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies