Die Liebe und der Tod verleihen allem Bedeutung

„Die Liebe und der Tod sind die Themen überhaupt, das A und O unserer Erzählungen, weil sie uns wie nichts anderes erschüttern.“ Mit diesem Satz leitet Lorenz Jäger sein neues Buch „Die Kunst des Lebens, die Kunst des Sterbens“ ein. Dabei ist der Tod nicht irgendein Thema unter anderen, sondern der letzte Probierstein des Denkens. Der Kontrast zwischen dem höchsten Lebensglück und der Vernichtung treibt den Umriss von beiden erst heraus. So allgegenwärtig die Verbindung von Liebe und Tod in der Literatur und Dichtung ist, ja eigentlich die Literatur erst ermöglicht, so merkwürdig spät erscheint sie in der Philosophie. Lorenz Jäger schreibt: „Die Liebe und der Tod verleihen allem Bedeutung, was in ihren Bereich tritt, mit ihnen erst sind wir Menschen.“ Seit 1997 arbeitete Lorenz Jäger als Redakteur im Ressort Geisteswissenschaften der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, das er zuletzt leitete.

Im Gedenken der Toten liegt ein universalistisches Motiv

Das Gedenkend der Toten ist ergreifend. Es unterscheidet den Menschen von seinen tierischen Vorfahren, und weil es eine geistige Haltung und Handlung ist, tut es das vielleicht mehr noch als der Gebrauch von Werkzeug oder die Zähmung des Feuers. Im Gedenken der Toten liegt ein durchaus universalistisches Motiv. Dieses Buch entstand auch aus dem Erschrecken über die Expertokratien, es plädiert für eine Wieder-Aneignung, Neu-Aneignung der enteigneten Künste des Lebens und des Sterbens.

Auch die Philosophie hat von Beginn an nach dem Tod gefragt und versucht, die Furcht vor ihm zu bannen, sie beginnt eigentlich sogar mit dieser Frage, erst jetzt wird sie Philosophie und nennt sich selbst bei diesem Namen. Das geschieht in Platons Gespräch „Phaidon“, die Philosophie versucht es mit einsehbaren Begründungen. Im Zentrum steht der methodische Gedanke, dass man im Austausch verschiedener Positionen und mit Argumenten die Wahrheit findet. Behauptungen werden angezweifelt, die Zweifel wiederum beantwortet. Erst diesen Prozess wird man Philosophie nennen können.

Sigmund Freud versuchte den Tod aus dem Leben selbst zu verstehen

Lorenz Jäger schreibt: „Kunst des Sterbens wäre: in gewisser, je verschiedener Weise den Tod als den „eigenen“ annehmen zu können. Er käme nicht als Fremder, sondern als Ende unseres – und nicht irgendeines – Lebens.“ Einer der Ersten, die versuchten, den Tod aus dem Leben selbst zu verstehen, war Sigmund Freud. Er versucht, Lebens- und Todestrieb als Polarität innerhalb des Organismus zu erfassen, im Inneren der einen, unverwechselbaren eigenen Biographie.

Wo es um letzte Worte geht, endet das Reich der Phrase. Alles ist hier Bitte, Fürbitte für andere und Zuspruch; einzelne Menschen werden angeredet – und Gott als Person, schließlich kommt die eigene Person ins Spiel. Für den Christen, hat der Philosoph Paul Ludwig Landsberg dargelegt, existiert „auf Seiten der Ewigkeit, nicht mehr nur eine Ideenwelt, sondern es existiert dort eine Person, die das absolute Sein ist“ – und mehr als Sein, nämlich Gnade.

Die Kunst des Lebens, die Kunst des Sterbens
Lorenz Jäger
Verlag: Rowohlt – Berlin
Gebundene Ausgabe: 268 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-7351-0170-7, 25,00 Euro

Von Hans Klumbies