In der Krise verlor Deutschland weniger Jobs als die USA

In Deutschland stieg die Arbeitslosenquote selbst während der Rezession in den Jahren 2008/2009 nur gemäßigt von 7,5 auf 7,9 Prozent an, um schon vom Frühsommer 2009 an wieder zu sinken. In den USA dagegen verdoppelte sich die Arbeitslosenrate während der Weltwirtschaftskrise von 2007 bis 2009 auf etwa 10 Prozent. Auch andere Indikatoren des Arbeitsmarktes zeigen deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und Amerika auf. Während in Deutschland die Beschäftigung nur leicht zurückging, um anschließend fast sofort wieder zu steigen, stürzte sie in den USA um 5,6 Prozent ab. In Deutschland ging die Zahl der Arbeitsstunden während der Krise nur um 3,4 Prozent zurück, in Amerika dagegen betrug das Minus 7,6 Prozent. Die Zahlen sind umso erstaunlicher, da die Rezession Deutschland wesentlich stärker in Mitleidenschaft zog als die USA. Obwohl die Wirtschaftsleistung in Deutschland stark einbrach, hat sich der Arbeitsmarkt anschließend besser entwickelt als in Amerika.

Die Indikatoren Erwartungen und institutioneller Wandel

Arbeitsökonomen versuchen dieses Phänomen mit den Merkmalen Erwartungen und institutioneller Wandel zu erklären. Nach der Erwartungsthese vermuten die Unternehmer, dass die Rezession eher kurz ausfallen würde und verzichteten daher auf zahlreiche Entlassungen. Dieser Ansatz klingt logisch. Denn die Rezession in Deutschland wurde vor allem durch den Einbruch des Welthandels verursacht, der dem Exportweltmeister schwer zusetzte. Da in Schwellenländern wie China der Staat Nachfrageanreize setzte, war unschwer vorauszusehen, dass der Einbruch bei der Nachfrage nach deutschen Produkten rasch überwunden sein würde.

Da Deutschland nach wie vor an einem Mangel an Fachkräften leidet, war es für die Firmenchefs rational, ihre Mitarbeiter selbst in der Weltwirtschaftskrise zu behalten und nicht zu feuern. In den Vereinigten Staaten von Amerika dagegen brach die Binnenwirtschaft zusammen, verursacht durch eine Blase bei den Hauspreisen und auf dem Aktienmarkt. In Amerika war schon damals den meisten Ökonomen klar, dass hier die Wirtschaftskrise lange dauern würde. Auch in Amerika handelten die Unternehmer rational, indem sie viele Mitarbeiter entließen, um sich auf die erwartete niedrige Nachfrage nach ihren Produkten einzustellen.

In Amerika herrscht das Prinzip „Hire and Fire“

Weil die Kosten von Entlassungen hoch sind, ist es in deutschen Unternehmen schon fast die Regel, in einer Rezession eher die Zahl der Arbeitsstunden der Mitarbeiter zu verringern als Beschäftigte zu entlassen. In Amerika dagegen auch das Land des „Hire and Fire“ genannt, entlassen die Unternehmer in Krisenzeiten meist rasch ihre Angestellten. Die Arbeitsmarktökonomen Michael Burda und Jennifer Hunt schauen bei den Erwartungen der Unternehmer nicht nur auf die Zeit während der Krise, sondern auch auf den Zeitraum vor der Krise. Sie stellten dabei fest, dass Deutschland zwischen 2005 und 2007 einen starken Aufschwung erlebte, der aber nur sehr begrenzte, positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hatte.

Wie nach der Wiedervereinigung blieben die Firmenschefs vorsichtig und zögerten, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Damit gab es in der Rezession eben auch nicht so viele Mitarbeiter, deren Jobs der Weltwirtschaftskrise zum Opfer fielen. Michael Burda und Jennifer Hunt fanden heraus, dass der zurückhaltende Aufbau der Beschäftigungszahlen in den Aufschwungjahren für etwa 40 Prozent der fehlenden Entlassungen während der Rezession verantwortlich war. Weitere 20 Prozent gehen auf das Konto der Lohnzurückhaltung in Deutschland, währen die restlichen 40 Prozent auf den institutionellen Wandel zuzuschreiben sind, unter anderem auf die Erfolge der Hartz-Reformen.

Von Hans Klumbies