Zarathustra lehrt den Übermenschen

Gegen die „Dekadenz“ richtet sich die Verkündigung von Friedrich Nietzsches Zarathustra. Sie nimmt schon zu Anfang des Buches, in Zarathustras Vorrede, die Form einer Reihe von Seligsprechungen an. Dies kann man wiederum nicht zufällig als eine Parodie auf die biblische Bergpredigt verstehen. Ger Groot erklärt: „Seliggesprochen werden nicht nur jene, die das Leben bis zur Neige auskosten. Sondern auch jene, die die herrschende Moral verwerfen.“ Dazu zählen beispielsweise die großen Verächter, wie Friedrich Nietzsche sie nannte. Das sind diejenigen, die sagen: „Was ist mir an Gerechtigkeit, an Mitleid und Tugend gelegen?“ Zarathustra spricht: „Seht, ich lehre euch den Übermenschen: der ist dies Meer, in ihm kann eure große Verachtung untergehen.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

Friedrich Nietzsche ist kein Wegbereiter des Nazismus

Zarathustra fährt fort: „Was ist das Größte, was ihr erleben könnt? Das ist die Stunde der großen Verachtung. Die Stunde, in der euch euer Glück zum Ekel wird und ebenso eure Vernunft und eure Tugend.“ Das sind gefährliche Worte – und man darf Friedrich Nietzsche von der Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht freisprechen, wie es in der Philosophie des Öfteren geschieht. Andererseits kann man ihn auch nicht zu einem Wegbereiter des Nazismus erklären.

Wer sein ganzes Werk überblickt, muss konstatieren, dass er keineswegs eindeutig zu einem Plädoyer für die „Blonde Bestie“ tendiert. Dabei handelt es sich um das Raubtier, das nur auf Unterwerfung aus ist, viel weniger aber noch zu deren Ablehnung. Im „Zarathustra“ spricht Friedrich Nietzsche auch über die Tugend des Übermenschen die ein „Wille zum Untergang und ein Pfeil der Sehnsucht“ ist. Das weist nicht auf einen Willen zur Selbsterhaltung und der Bemächtigung des Lebens hin.

Alle Lust will Ewigkeit

Sondern es betont ein Aufgehen im Leben, das selbst ein Prozess von Werden und Vergehen ist. Der Übermensch ist also nicht der Mensch, der am Dasein und an seinem eigenen Leben, koste es was es wolle, festhält. Sondern er ist derjenige, der die Tragik des Lebens in all seinen Aspekten, auch den schmerzlichsten, auf sich nimmt. Ger Groot erläutert: „Er ist derjenige, der genau daran seine Freude findet. Für Friedrich Nietzsche ist Schmerz auch eine Lust, Fluch auch ein Segen und die Nacht auch eine Sonne.

Und weil alle Lust Ewigkeit will, ist damit auch eine Zustimmung zur Ewigkeit des Schmerzes verbunden. Denn beide existieren nicht ohne einander. Und eine Zustimmung zum Leben ist nur dann eine wirkliche Zustimmung, wenn sie sowohl Lust als auch Leid in sich begreift. Im Jahr 1895, gut zehn Jahre nach dem Erscheinen des dritten Bandes des „Zarathustra“ beginnt Gustav Mahler mit der Komposition seiner dritten Symphonie. Er ist tief beeindruckt von Friedrich Nietzsches Werk. So wird es letztlich „Zarathustra“ sein, der in diesem Werk den Ton angibt. Quelle: „Und überall Philosophie“ von Ger Groot

Von Hans Klumbies